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Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Titel: Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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floß nur das ganze Geld?, fragte er sich. Wer um alles in der Welt strich für soviel Nichtstun solch riesige Profite ein? Vielleicht, um sich vom gewaltsamen Tod des Jungen abzulenken, stellte er ein paar grobe Kalkulationen auf. Gesetzt, so ein Kran kostete pro Tag fünftausend Euro, dann mußte die Stadt im Jahr dafür fast zwei Millionen Euro berappen, egal, ob sie in Betrieb waren oder nicht. Lange stand er so am Fenster und rechnete mit einer Geschäftigkeit, wie sie die Kräne draußen schon seit geraumer Zeit nicht mehr an den Tag gelegt hatten.
    Doch dann wandte er sich abrupt ab, kehrte an den Schreibtisch zurück, streckte die Hand nach dem Telefon aus. Als ihm niemand einfiel, den er hätte anrufen können, verließ er sein Büro und die Questura und schlenderte hinüber zu der Bar am Fuß der Brücke, wo er sich ein panino und ein Glas Rotwein genehmigte und die Schlagzeilen der Tageszeitung an seinen Augen vorbeiziehen ließ.

6
    O bwohl er seinen kleinen Imbiß so lange wie möglich in die Länge zog, blieb Brunetti am Ende keine andere Wahl, als in die Questura zurückzukehren. Dort machte er als erstes einen Abstecher in den Bereitschaftsraum, wo er diesmal sowohl Vianello als auch Pucetti antraf. Der Jüngere wollte aufspringen, als er ihn kommen sah, doch Brunetti winkte ab. Außer den beiden war nur noch ein Polizist im Zimmer, der etwas abseits an einem Schreibtisch saß und telefonierte.
    »Irgendwas Neues?« wandte sich der Commissario an seine beiden Vertrauten.
    Pucetti bedeutete Vianello mit einem Blick, daß er ihm den Vortritt lasse.
    »Ich habe den Doktor nach Hause gebracht«, begann der Inspektor und setzte achselzuckend hinzu: »Aber er hat mich nicht hineingebeten. Und bei Ihnen, Commissario?«
    »Ich habe mit Moro gesprochen und mit seiner Cousine, die gerade bei ihm war. Sie hält es für ausgeschlossen, daß der Junge sich das Leben genommen hat.« Brunettis Stimme klang betont sachlich; irgend etwas hielt ihn davon ab, den beiden zu gestehen, wie leicht auch er sich von Moro hatte abwimmeln lassen.
    »Sagten Sie, seine Cousine war bei ihm?« erkundigte sich Vianello ebenso beiläufig.
    »So hat sie sich mir vorgestellt.« Ach, dieses immerwährende mißtrauische Taktieren, dieser ständige Drang, sich abzusichern und moralisch hinter dem kleinsten gemeinsamen Nenner zu verschanzen - das ist uns allen in Fleisch und Blut übergegangen, dachte Brunetti. Es scheint ein psychologisches Gesetz zu geben, wonach jedes weitere Dienstjahr eines Polizisten seinen Glauben an die Ehrlichkeit und das Gute im Menschen schmälert. Zu Hause, in der Familie, war das gottlob anders, bloß: Wie lange würde es ihm noch gelingen, die beiden Welten auseinanderzuhalten und sein heiles Privatleben nicht mit dem freudlosen Pessimismus des beruflichen Alltags zu vergiften?
    Brunetti schreckte hoch. Vianello hatte ihm offenbar gerade eine Frage gestellt. »Verzeihung, was sagten Sie?«
    »Ich wollte wissen, ob auch seine Frau da war«, wiederholte Vianello.
    Brunetti schüttelte den Kopf. »Nicht, daß ich wüßte. Ich habe jedenfalls nur ihn und die Cousine gesehen. Allerdings hätte die Mutter des Jungen, wenn sie dagewesen wäre, wohl kaum mit mir reden wollen.«
    »Gibt es überhaupt eine Ehefrau?« fragte Pucetti skeptisch.
    Brunetti, der das auch nicht wußte, antwortete ausweichend: »Ich habe Signorina Elettra gebeten, soviel wie möglich über die Familie in Erfahrung zu bringen.«
    »Vor ein paar Jahren stand, glaube ich, mal was über sie in der Zeitung«, meinte Vianello. Die beiden anderen sahen ihn erwartungsvoll an, doch alles, was der Ispettore schließlich sagte, war: »Ich erinnere mich nur noch dunkel, aber ich glaube, es hatte mit der Frau zu tun.«
    »Was immer es war, die Signorina wird es herausfinden«, behauptete Pucetti.
    Normalerweise hätte der Commissario Pucettis kindliches Vertrauen in Signorina Elettras Zauberkräfte ebenso belächelt wie die Inbrunst jener neapolitanischen Bauern, die so fest an die wundersame Verflüssigung des Blutes von San Gennaro glaubten. Doch da er gegenwärtig selbst zum unerleuchteten Fußvolk gehörte, hielt er sich zurück.
    »Warum sagst du dem Commissario nicht, was du in San Martino herausgefunden hast?« Wieder einmal war es Vianello, der mit einem praktischen Vorschlag der andächtigen Schwärmerei seines jungen Kollegen und Brunettis philosophischen Betrachtungen ein Ende machte und zur Tagesordnung zurückkehrte.
    »Also der portiere

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