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Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Titel: Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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wenn wahrscheinlich nichts dabei herauskäme, am Nachmittag noch einmal hinaus nach San Martino und die Befragung von Schülern und Lehrern fortsetzen. Ihn fänden sie oben in seinem Büro, sagte er noch und ging.
    Neugier und der Wunsch zu hören, was Signorina Elettra in Erfahrung gebracht hatte, bewogen Brunetti auf dem Weg nach oben zu einem Abstecher ins Vorzimmer. Doch als er die Tür öffnete, hatte er das Gefühl, sich in einen Wald, wenn nicht gar einen Dschungel verirrt zu haben: Vier hohe, ausladende Bäume mit riesigen, tiefgrün leuchtenden Blättern in Terrakottakübeln säumten die rückwärtige Wand. Vor diesem dunkelbelaubten Hintergrund saß in einem Outfit, dessen Farben er bislang nur von der Tracht buddhistischer Mönche kannte, Signorina Elettra an ihrem Schreibtisch, hindrapiert wie eine exotische Frucht vor dem Baum, von dem sie gefallen war.
    »Zitronen?« fragte er.
    »Ja.«
    »Wo haben Sie die denn her?«
    »Ein Freund hat die Lulu inszeniert und mir nach der letzten Vorstellung die Dekoration überlassen.«
    »Lulu?«
    Sie lächelte. »Ganz recht.«
    »Ich erinnere mich an keine Zitronenbäume in Lulu«, sagte Brunetti verdutzt, aber wie immer bereit, sich von ihr belehren zu lassen.
    »Er hat die Oper nach Sizilien verlegt«, erklärte sie.
    »Ah!« machte Brunetti und versuchte, sich die Handlung ins Gedächtnis zu rufen. Die Musik war ihm gnädigerweise entfallen. Um das Gespräch in Gang zu halten, fragte er: »Und haben Sie sich die Aufführung angesehen?«
    Ihre Antwort ließ so lange auf sich warten, daß er schon fürchtete, sie mit der Frage irgendwie gekränkt zu haben.
    Endlich sagte sie: »Nein, Signore. Mein Niveau ist zwar sehr bescheiden, aber Oper in einem Zelt - auf einem Parkplatz -, nein, da hört es bei mir auf!«
    Brunetti, der in seinem ästhetischen Empfinden genauso konservativ war, nickte nur und fragte dann: »Wie steht es übrigens mit Moro? Haben Sie schon etwas herausgefunden?«
    Ihr Lächeln wurde schwächer, aber es war immerhin noch da. »Einiges ist schon reingekommen. Ich warte allerdings noch auf Nachricht von einem Freund in Siena, der mir Näheres über die Ehefrau, Federica Moro, erzählen wollte.«
    »Was ist mit ihr?« fragte Brunetti.
    »Sie hatte dort, also in der Nähe von Siena, einen Unfall.«
    »Verkehrsunfall?«
    »Nein, ein Jagdunfall.«
    »Ach? Eine Frau und ein Jagdunfall?« fragte er ungläubig.
    Sie hob die Brauen, als wolle sie andeuten, in einer Welt, wo die Lulu in Sizilien spielte, sei alles möglich. Laut aber sagte sie nur: »Ausnahmsweise will ich Ihnen diese grob sexistische Bemerkung noch mal durchgehen lassen, Commissario.« Und nach einer didaktischen Pause fuhr sie fort:
    »Es geschah vor zwei Jahren. Die Signora war in der Gegend von Siena zu Besuch bei Freunden auf dem Land. Während eines Nachmittagsspaziergangs geriet sie ins Revier einer Jagdgesellschaft und wurde versehentlich angeschossen. Zum Glück wurde sie rasch gefunden und ins Krankenhaus gebracht, bevor sie hätte verbluten können.«
    »Und der Jäger? Hat man den gefaßt?«
    »Nein. Er wird sie vermutlich gehört, mit einem Wild verwechselt und einfach drauflosgeballert haben.«
    »Und er hat sich auch hinterher nicht die Mühe gemacht nachzusehen, was er erlegt hatte?« fragte Brunetti empört.
    »Hat sich nicht um die Frau gekümmert, keine Hilfe geholt?«
    »Das ist beileibe kein Einzelfall.« Signorina Elettra klang nicht minder entrüstet als er. »Lesen Sie denn keine Zeitung? Jedes Jahr, wenn die Jagdsaison eröffnet ist, werden oft gleich am ersten Tag drei oder vier Todesfälle gemeldet. Das geht die ganze Saison über so weiter. Und es trifft nicht nur die Trottel, die über ihre eigene Flinte stolpern und sich das Hirn rauspusten«, stieß sie ganz ohne Mitleid hervor.
    »Die erschießen sich auch gegenseitig, und nicht selten muß das arme Opfer elendiglich verbluten, nur weil der Unglücksschütze zu feige ist, sich zu stellen.«
    Brunetti wollte etwas sagen, aber sie ließ ihn nicht zu Wort kommen. »Also von mir aus sollen diese sogenannten Weidmänner sich ruhig gegenseitig abknallen. Dann ist wenigstens irgendwann Schluß mit dem Wahnsinn.«
    Brunetti wartete ab, ob sie sich beruhigen und ihre harschen Worte zurücknehmen würde, entschied dann aber, daß ihre Einstellung zur Jägerei ihn nichts anging, und fragte, diplomatisch zum eigentlichen Thema wechselnd: »Und als Signora Moro angeschossen wurde - hat man da die Polizei

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