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Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Titel: Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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vergangener Jahrhunderte. Perulli verstand es, mit beiläufigen Bemerkungen den Eindruck zu erwecken, es handele sich um seine Ahnen; dabei lebte seine Familie seit Generationen in Castello und handelte mit Wurst und Dosenfleisch.
    Neu waren die Reihen silbergerahmter Fotos auf der nicht sonderlich gelungenen Kopie einer Anrichte aus der Florentinischen Renaissance. Als Brunetti näher trat, um die Bilder zu betrachten, fand er darin die Flugbahn von Perullis steiler Karriere widergespiegelt: der Jüngling mit seinen Freunden; der frischgebackene Akademiker mit einem Führer jener politischen Partei, der Perulli sich damals verschrieben hatte; in gesetzteren Jahren dagegen posierte er Arm in Arm mit einem ehemaligen Bürgermeister der Stadt, dem Innenminister und dem Patriarchen von Venedig. Aus einem besonders opulenten Rahmen lächelte Perullis Gesicht vom Titelbild eines Nachrichtenmagazins, das inzwischen eingegangen war. Speziell dieses Foto oder vielmehr Perullis Bedürfnis, es auszustellen, machte Brunetti gegen seinen Willen unsagbar traurig.
    »Kann ich dir etwas anbieten?« Perulli, der auf der anderen Seite des Salons vor einem Ledersofa stand, wollte die Frage der Bewirtung offenbar geklärt haben, bevor er sich hinsetzte.
    »Nein, danke«, antwortete Brunetti.
    Nun nahm Perulli Platz und zupfte dabei penibel an beiden Hosenbeinen - was nach Brunettis Erfahrung sonst nur alte Männer zu tun pflegten, damit sich der Stoff über den Knien nicht ausbeulte. Ob Perulli im Vaporetto auch die Mantelschöße zurückschlug, bevor er sich hinsetzte?
    »Du willst wohl nicht so tun, als ob wir immer noch Freunde wären, oder?« fragte Perulli.
    »Ich will überhaupt nichts vortäuschen, Augusto. Ich möchte dir nur ein paar Fragen stellen und hoffe, daß du sie ehrlich beantwortest.«
    »Nicht wie beim letzten Mal?« fragte Perulli mit einem Grinsen, das jungenhaft wirken sollte, aber nur verschlagen geriet - und Brunetti für einen Moment verunsicherte, denn irgend etwas an Perullis Mund, an der Art, wie er die Lippen bewegte, hatte sich verändert.
    »Nein, nicht wie beim letzten Mal«, sagte Brunetti und war selbst überrascht, wie gefaßt seine Stimme klang, gefaßt, aber auch erschöpft.
    »Und wenn ich deine Fragen nicht beantworten kann?«
    »Dann sag's mir, und ich gehe.«
    Perulli nickte. »Ich hatte keine andere Wahl damals, Guido«, beteuerte er.
    Brunetti überhörte das und fragte: »Kennst du Fernando Moro?«
    Er sah Perulli an, daß er den Namen kannte, aber in seiner Reaktion schwang noch etwas anderes mit.
    »Ja.«
    »Und wie gut kennst du ihn?«
    »Er ist etliche Jahre älter als wir, aber mein Vater war mit ihm befreundet, dadurch ergab es sich, daß wir uns auf der Straße grüßten oder gelegentlich ein Glas miteinander tranken. Zumindest in jüngeren Jahren. Aber so gut, daß wir uns angefreundet hätten, war das Verhältnis nun auch wieder nicht.« Brunetti schwante, was jetzt kommen würde. »Nicht so wie bei uns beiden«, ergänzte Perulli, doch Brunetti überhörte auch das.
    »Habt ihr euch auch in Rom getroffen?«
    »Privat oder beruflich?«
    »Beides.«
    »Privat nicht, nein, aber im Palazzo Montecitorio ist man sich schon ein paarmal über den Weg gelaufen. Doch da wir verschiedenen Parteien angehörten, haben wir nicht miteinander gearbeitet.«
    »Parlamentarische Ausschüsse?«
    »Nein, auch da gab es keine Überschneidungen.«
    »Und sein Ruf?«
    »Ich verstehe die Frage nicht.«
    Brunetti unterdrückte den Seufzer, der in seiner Brust aufstieg, und antwortete gelassen: »Ich meine, als Politiker. Was hielten die Leute von ihm?«
    Perulli schlug elegant die langen Beine übereinander, senkte den Kopf und strich mit der Hand ein paarmal an seiner rechten Braue entlang, wie er es immer getan hatte, wenn er über etwas nachdachte oder sich eine Antwort zurechtlegen mußte. Erst als Brunetti ihn so sah, fiel ihm auf, daß Perullis auffallend jugendliches Gesicht sich doch verändert hatte: Die Wangenknochen wirkten härter und schärfer konturiert als zu Studentenzeiten. Endlich antwortete er mit einem Hauch von Spott in der Stimme: »Ich würde sagen, er stand in dem Ruf, ein anständiger Kerl zu sein.« Perulli ließ die Hand sinken und setzte ein kleines Lächeln auf. »Vielleicht zu anständig.« Das Lächeln vertiefte sich: Es war immer noch jenes gewinnende Lächeln, dem einst weder die Mädchen noch, später dann, die Frauen widerstehen konnten.
    »Was heißt das?« fragte

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