Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle
Brunetti, zunehmend gereizt von Perullis aalglatten Ausweichmanövern.
Wieder antwortete Perulli nicht gleich, und während er überlegte, was er sagen oder wie er es formulieren sollte, stülpte er ein paarmal die Lippen vor und schürzte sie zu einem straffen kleinen Kreis, eine Marotte, die Brunetti bisher nicht an ihm kannte. Endlich sagte er: »Es heißt wohl, daß die Zusammenarbeit mit ihm nicht immer einfach war.«
Brunetti, der damit nichts anfangen konnte, fragte wieder: »Was meinst du damit?«
Perullis Augen blitzten zornig auf, als er Brunetti ansah, aber sobald er sprach, klang seine Stimme gefaßt und ruhig, fast zu ruhig. »Daß Kollegen, die eine andere Ansicht vertraten als er, ihn nicht dazu bringen konnten, die Dinge auch einmal aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten.«
»Nämlich dem ihren?« fragte Brunetti beiläufig.
Doch so leicht war Perulli nicht zu ködern. »Egal, welchem. Solange er nicht immer nur stur auf dem seinen beharrt hätte.«
»Sprichst du aus eigener Erfahrung?«
Perulli verneinte mit einem energischen Kopfschütteln.
»Ich hab dir doch gesagt, daß wir nie in denselben Ausschüssen saßen.«
»In welchen hat er denn mitgearbeitet?« fragte Brunetti.
Perulli lehnte den Kopf an die Lehne zurück und schloß die Augen. Brunetti konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, daß diese Pose eigens für ihn bestimmt war, ihm zeigen sollte, wie angestrengt und konzentriert Perulli sich seinen Fragen widmete.
Nach einer scheinbar endlos langen Pause sagte Perulli:
»Soweit ich mich erinnern kann, war er erst in dem Ausschuß zur Überprüfung des Postwesens, dann in einem, der irgendwas mit Landwirtschaft zu tun hatte, und in einem dritten ...« Hier brach er ab und bedachte Brunetti mit einem leise vertraulichen Lächeln, ehe er fortfuhr: »Ich erinnere mich beim besten Willen nicht mehr, worum es dabei ging. Möglicherweise um diese humanitäre Hilfsaktion in Albanien oder vielleicht auch um die Altersversorgung der Bauern. Ich weiß es wirklich nicht mehr.«
»Und was geschieht in diesen Ausschüssen?«
»Das gleiche wie in allen anderen auch.« Perulli schien ehrlich erstaunt, daß ein Bürger so etwas fragen konnte.
»Man untersucht die anstehenden Probleme.«
»Und dann?«
»Werden Empfehlungen ausgearbeitet.«
»Für wen?«
»Die Regierung natürlich.«
»Und was geschieht mit diesen Empfehlungen?«
»Sie werden geprüft, analysiert, und dann wird darüber abgestimmt. Und falls nötig, wird ein Gesetz erlassen oder das bestehende Gesetz reformiert.«
»So einfach ist das also, ja?« sagte Brunetti.
Perullis Lächeln konnte nicht so schnell aufgehen, wie es unter Brunettis frostigem Ton erloschen war.
»Du kannst dich ruhig darüber lustig machen, Guido, aber es ist nicht leicht, ein Land wie dieses zu regieren.«
»Glaubst du wirklich, daß du es regierst?«
»Natürlich nicht ich persönlich«, sagte Perulli mit aufrichtigem Bedauern in der Stimme.
»Dann ihr alle zusammen? Die Mitglieder des Parlaments?«
»Wer sonst, wenn nicht wir?« fragte Perulli in einem Ton, der zwischen Zorn und Entrüstung schwankte.
»Du sagst es«, versetzte Brunetti trocken. Nach einer langen Pause fuhr er in sachlichem Ton fort: »Weißt du sonst noch etwas über die Ausschüsse, denen Moro angehörte? Vielleicht, wer seine Mitstreiter waren?«
Perulli hatte dieser abrupte Themenwechsel die Zielscheibe für seine selbstgerechte Empörung geraubt. »Über die anderen gibt es nicht viel zu sagen. Schon weil das ganz unbedeutende Ausschüsse waren, in denen Moro mitarbeitete, die Sorte, in die normalerweise bloß Neuparlamentarier oder solche ohne Beziehungen berufen werden.«
»Verstehe«, sagte Brunetti gefaßt. »Aber kennst du trotzdem jemanden aus einem dieser Ausschüsse?«
Er fürchtete schon, er habe es zu weit getrieben und Perulli würde seine Frage abweisen oder die Unterredung aus Termingründen für beendet erklären, aber nach einigem Überlegen antwortete der Abgeordnete doch: »Den einen oder anderen kenne ich zwar, aber nur flüchtig.«
»Könntest du mit ihnen reden?«
»Worüber?« fragte Perulli, sofort mißtrauisch geworden.
»Moro.«
»Nein.« Diesmal kam die Antwort prompt und entschieden.
»Und warum nicht?« erkundigte sich Brunetti, obwohl er ziemlich sicher war, den Grund zu kennen.
»Weil du am Telefon gesagt hast, du willst mir ein paar Fragen stellen. Davon, daß ich deine Arbeit tun soll, war nicht die Rede.« Perulli war
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