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Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Titel: Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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hat mir vieles nichts ausgemacht. Aber jetzt ist es eben anders.« Und sich ihm zuwendend, holte sie zu einem vermeintlichen Vernichtungsschlag aus. »Falls du noch nicht davon gehört haben solltest: Man nennt das Erwachsenwerden.«
    Doch Raffi schnaubte nur verächtlich, worauf sie zu einer neuen Rechtfertigung ansetzte.
    »Daß wir die Möglichkeit haben, Tiere zu essen, ist noch lange kein Grund, es auch zu tun.« Es klang, als sagte sie eine eingelernte Lektion auf, was, wie Brunetti vermutete, wohl auch der Fall war.
    »Was willst du denn dann essen?« fragte Raffi. »Zucchini?« Und an seine Mutter gewandt: »Sind Witze über Zucchini-Wahn erlaubt?«
    Worauf Paola mit jenem olympischen Gleichmut, den Brunetti so bewunderte, zurückgab: »Darf ich das so verstehen, daß du dich für den Abwasch meldest, Raffi?«
    Raffi stöhnte, erhob aber keinen Einwand. Ein Brunetti, der mit den Finessen der Jugend nicht so vertraut gewesen wäre, hätte das vielleicht als Zeichen dafür genommen, daß sein Sohn gewillt war, seinen Teil Verantwortung für den gemeinsamen Haushalt zu übernehmen, ja vielleicht sogar als einen ersten Anflug von Reife. Der wahre Brunetti indes, gestählt durch jahrzehntelangen Umgang mit hinterhältigen Verbrechern, durchschaute das Manöver auf Anhieb als kaltblütige Strategie, die momentane Fügsamkeit im Tausch gegen künftige Belohnung anbot.
    Als Raffi über den Tisch hinweg nach dem Teller seiner Mutter langte, schenkte Paola ihm ein liebreizendes Lächeln, erhob sich und bewies mit einem einzigen Satz, daß sie verschlagene Taktiken ebenso leicht durchschaute wie ihr Mann: »Danke, caro tesoro, das ist lieb von dir, aber Tauchunterricht ist trotzdem nicht drin.«
    Brunetti sah ihr nach, als sie hinausstolzierte, dann wandte er sich um und betrachtete forschend seinen Sohn. Raffi stand die Überraschung ins Gesicht geschrieben, doch als er den prüfenden Blick seines Vaters auffing, brachte er sein Gesicht unter Kontrolle und lächelte tapfer. »Wie macht sie das bloß andauernd?« fragte er.
    Brunetti wollte ihn schon mit einer Floskel trösten wie der, es gehöre nun einmal zu den Stärken der Mütter, die Gedanken ihrer Kinder lesen zu können, als Chiara, die inzwischen emsig das Obst auf dem Tablett verputzt hatte, aufsah und wie selbstverständlich erklärte: »Das kommt daher, daß sie Henry James liest.«
    Als sie später in Paolas Arbeitszimmer saßen und Brunetti ihr von seinem Zusammenstoß mit den Kadetten erzählte, verschwieg er den animalischen Triumph, den er empfunden hatte, als sein Fuß auf den Knöchel jenes arroganten Jungen traf.
    »Du kannst von Glück sagen, daß es hier passiert ist«, sagte sie nur, als er geendet hatte, und ergänzte dann: »In Italien.« »Wieso? Was meinst du damit?«
    »Daß es viele Orte auf der Welt gibt, wo so ein Bravourstück dich das Leben gekostet hätte.«
    »Nenn mir zwei«, sagte er, gekränkt, weil sie sein tapferes Bravourstück so kaltlächelnd abtat.
    »Sierra Leone und die Vereinigten Staaten«, erwiderte Paola. »Aber das heißt nicht, daß ich nicht stolz bin auf das, was du getan hast.«
    Brunetti schwieg eine ganze Weile, dann fragte er: »Merkt man mir an, wie voreingenommen ich gegen die bin?«
    »Gegen wen?«
    »Eben Jungen wie die, aus reicher Familie, mit besten Beziehungen und diesem herrischen Wesen.«
    »Du meinst Familien wie meine?« In ihren ersten gemeinsamen Jahren, bevor Brunetti gelernt hatte, daß Paolas schockierend brutale Offenheit oftmals alles andere als aggressiv war, hätte die Frage ihn verblüfft. Jetzt beantwortete er sie einfach mit einem schlichten: »Ja.«
    Sie faltete die Hände und stützte das Kinn auf die Fingerknöchel. »Merken würde das wohl nur jemand, der dich sehr gut kennt. Oder der aufmerksam verfolgt, was du sagst.«
    »Jemand wie du?« fragte er lächelnd.
    »Ja.«
    »Was glaubst du, woran es liegt, daß sie mich so leicht auf die Palme bringen?«
    Paola zögerte; es war beileibe nicht das erste Mal, daß sie darüber nachdachte, aber er hatte ihr die Frage noch nie so direkt gestellt. »Ich glaube, es hat viel mit deinem Gerechtigkeitssinn zu tun.«
    »Nicht mit Eifersucht?« hakte er nach, um ihr ein Kompliment zu entlocken.
    »Nein, zumindest nicht irgendeiner primitiven Form von Eifersucht.«
    Brunetti lehnte sich im Sofa zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. Er rutschte noch ein wenig hin und her, um sich eine bequemere Stellung zu suchen, und als er sie

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