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Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Titel: Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Breite der calle ein. Zwei Frauen, eine alt, die andere jung, wichen unwillkürlich bis an die Panzerglasfenster der Bank zurück, und ein mit Stadtplan bewehrtes Touristenpaar preßte sich hart an die Fenster der Bar gegenüber. Kaum daß diese schiffbrüchigen Landratten den Weg frei gemacht hatten, rauschte das uniformierte Quartett auch schon mit unverminderter Wucht auf Brunetti zu.
    Der Commissario sah ihnen in die Augen - grüne Jungs, nicht älter als sein Sohn -, und die Blicke, die ihn trafen, waren hart und mitleidlos wie tropische Sonnenstrahlen.
    Sein rechter Fuß mochte sekundenlang gezögert haben, aber mit äußerster Willenskraft schob er ihn nach vorn und setzte seinen Weg fort, festen Schrittes und mit einer so gebieterischen Miene, als sei er allein in der Calle della Bissa und Herr über die ganze Stadt.
    Die Kadetten rückten näher, und Brunetti erkannte links außen denjenigen, der im Schulhof versucht hatte, ihn ins Verhör zu nehmen. Der atavistische Trieb des überlegenen Männchens, seine Vormachtstellung zu verteidigen, ließ Brunetti seine Richtung um zwei Kompaßgrade korrigieren, so daß er direkt auf den Jungen zuhielt. Er spannte die Bauchmuskeln und legte die Ellbogen an, um sich für den Zusammenprall zu wappnen, aber in letzter Sekunde machte der Junge rechts von dem, auf den Brunetti es abgesehen hatte, einen Ausfallschritt nach rechts, löste sich von seinem Kameraden und gab eine schmale Lücke frei, durch die Brunetti passieren konnte. Doch kaum daß der einen Schritt nach vorn tat, sah er aus dem Augenwinkel, wie sein Widersacher mit dem linken Fuß eine Bewegung machte, als wolle er ihm ein Bein stellen. Da holte er Schwung, warf sich mit seinem ganzen Gewicht nach vorn und spürte zufrieden den harten Aufprall, als seine Schuhspitze mit voller Wucht den Knöchel des Jungen traf. Ohne auch nur einen Moment innezuhalten, setzte Brunetti seinen Weg fort und eilte schnellen Schrittes hinaus auf den campo, wo er sich nach links wandte, der Brücke zu.
    Da sowohl Raffi als auch Chiara zum Essen daheim waren und er es unschicklich fand, in Gegenwart der Kinder mit seinem hinterhältigen Manöver zu prahlen, erwähnte er den Zusammenstoß mit den Kadetten erst gar nicht, sondern widmete sich ganz den Speisen, die Paola auf den Tisch brachte. Es gab ravioli di zucca, mit kurz in Butter geschwenkten Salbeiblättern und reichlich Parmesan. Danach gebratenes Kalbsfilet mit Fenchel, das Paola letzte Nacht in einer Marinade aus Rosmarin, Knoblauch, Fenchelsamen und kleingehackter pancetta im Kühlschrank hatte durchziehen lassen.
    Während sein Gaumen genießerisch die sich mischenden Geschmacksrichtungen der Speisen kostete und das fruchtige Bukett des Sangiovese auch beim dritten Glas noch zu schätzen wußte, fiel Brunetti unversehens wieder ein, wie sehr er sich zuvor um die Sicherheit seiner Kinder gesorgt hatte. In der harmonischen Stimmung, in die ihn das gute Essen und der Wein versetzt hatten, fand er seine Ängste nun doch reichlich übertrieben. Was nicht heißt, daß er sie hätte ablegen oder den naiven Wunsch nach immerwährendem Frieden für sich und die Seinen hätte belächeln können. Er wußte nicht, ob sein angeborener Pessimismus daran schuld war oder ob es die Erfahrungen aus seinem beruflichen Alltag waren, die ihn ständig damit rechnen ließen, daß die Dinge sich zum Schlechteren wenden würden. Fest stand nur, daß seine Vision vom Glück sich immer erst durch einen Filter des Bangens hindurchkämpfen mußte.
    »Wieso gibt's eigentlich bei uns nie mehr Rindfleisch?« fragte Raffi.
    »Weil«, sagte Paola, die gerade eine Birne schälte, »weil Gianni keinen Bauern findet, dem er vertraut.«
    »Wie vertraut?« fragte Chiara zwischen zwei Weinbeeren.
    »Nun, darin, daß seine Tiere auch wirklich gesund sind«, antwortete Paola.
    »Ich mag sowieso keins mehr«, sagte Chiara.
    »Wieso nicht? Weil du davon verrückt würdest?« fragte ihr Bruder und korrigierte gleich feixend: »Noch verrückter?« »Ich finde, unser Bedarf an Witzen über Rinderwahn ist gedeckt«, bemerkte Paola, die für gewöhnlich nicht so unduldsam war.
    »Nein, nicht deswegen«, antwortete Chiara ihrem Bruder.
    »Also warum dann?« fragte Brunetti.
    »Ach, weil halt«, gab Chiara ausweichend zurück.
    »Weil was?« beharrte ihr Bruder.
    »Weil wir sie schließlich nicht essen müssen.«
    »Früher hat dir das aber nichts ausgemacht«, hielt Raffi ihr entgegen.
    »Das weiß ich selber. Früher

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