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Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Titel: Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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der Kadetten, auch hatten die Hosen keine farbigen Seitenstreifen, und die Ordensspange auf seiner Brust schätzte Brunetti über eine Handspanne breit.
    Der Mann legte die Papiere auf den Schreibtisch, machte aber keine Anstalten, auf Brunetti zuzugehen. »Und Sie sind?« fragte er betont gelangweilt.
    »Commissario Guido Brunetti, Signore. Ich habe den Auftrag, einen hier gemeldeten Todesfall zu untersuchen.«
    Das entsprach nicht ganz der Wahrheit, es sei denn, Brunetti hätte sich selbst beauftragt, doch er sah keinen Grund, dies dem Comandante auf die Nase zu binden. Er trat vor und streckte so unbefangen die Hand aus, als wäre er immun gegen die frostige Kühle, mit der sein Gegenüber ihn offenbar auf Distanz halten wollte.
    Nach einer angemessenen Frist, die zeigen sollte, wer hier das Sagen hatte, ließ Bembo sich herab, die Begrüßung zu erwidern. Sein Händedruck war fest, aber irgendwie verhalten - ganz so, als wolle er die Hand des Zivilisten schonen.
    »Ach ja«, sagte Bembo, »ein Commissario.« Er legte eine Pause ein, um der herablassenden Feststellung ihre gebührende Wirkung zu verleihen, und fuhr dann fort: »Ich wundere mich, daß mein Freund, Vice-Questore Patta, nicht daran gedacht hat, mich anzurufen und von Ihrem Kommen zu unterrichten.«
    Brunetti überlegte, ob der Hinweis auf seinen Vorgesetzten (der im übrigen frühestens in einer Stunde in seinem Büro sein würde) ihn einschüchtern sollte, damit er versprach, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um Bembo nur ja nicht mit seinen Ermittlungen zu behelligen. »Ich bin sicher, das wird er nachholen, sobald ich ihm meine ersten Erkenntnisse vorlege, Signore«, sagte Brunetti.
    »Natürlich.« Bembo ging um den Schreibtisch herum, nahm in seinem Sessel Platz und bedeutete Brunetti mit einer zweifellos huldvoll gemeinten Geste, er dürfe sich ebenfalls setzen. So angelegentlich, wie der Comandante den Zierrat auf seinem Schreibtisch herumschob, Papiere zu einem Stoß aufeinanderstapelte und zurechtklopfte, schien er nicht übermäßig interessiert daran, daß die Ermittlungen rasch in Gang kamen. Brunetti verharrte schweigend.
    »Eine unglückselige Geschichte, das«, sagte Bembo endlich.
    Brunetti nickte nur.
    »Ist das erste Mal, daß wir in der Akademie einen Selbstmord haben«, fuhr Bembo fort.
    »Ja, das muß ein Schock gewesen sein. Wie alt war der Junge?« fragte Brunetti. Er zog ein Notizbuch aus der Jackentasche und bog, sobald er eine leere Seite gefunden hatte, den Falz auseinander. Dann klopfte er mit verlegenem Lächeln seine Taschen ab, beugte sich vor und griff nach einem Bleistift auf dem Schreibtisch. »Wenn Sie erlauben, Signore«, sagte er.
    Bembo machte sich nicht die Mühe, auf die Bitte einzugehen. »Siebzehn, glaube ich«, sagte er.
    »Und sein Name, Signore?« fragte Brunetti.
    »Ernesto Moro.«
    Brunetti zuckte erstaunt zusammen, als unvermutet einer der berühmtesten Namen Venedigs fiel.
    »Ja«, sagte Bembo, »Fernandos Sohn.«
    Dottor Fernando Moro hatte einige Jahre als Abgeordneter in verschiedenen Parlamentsgremien gewirkt - einer der wenigen Politiker, denen man allenthalben attestierte, daß sie ihr Amt redlich und in Ehren versahen. Böse Zungen behaupteten, Moro sei nur deshalb von Ausschuß zu Ausschuß weitergereicht worden, weil den Kollegen ebendiese Redlichkeit unbequem war: Sobald man einsehen mußte, daß er tatsächlich immun war gegen die Verlockungen von Macht und Geld, suchte und fand jedes Komitee Mittel und Wege, sich seiner rasch wieder zu entledigen. Wenn Moro als Politiker dennoch Karriere machte, so bewies das lediglich, daß die Hoffnung nie versiegt: Jeder Vorsitzende, in dessen Ausschuß Moro berufen wurde, war überzeugt, er werde den Dottore umstimmen und auf den Kurs einschwören können, der langsam, aber sicher die Taschen der Minderheit auf Kosten der Mehrheit füllt.
    Drei Jahre lang war es offenbar keinem gelungen, Moro zu korrumpieren. Und dann, es war gerade erst zwei Jahre her, hatte er plötzlich und ohne Erklärung sein Mandat niedergelegt und sich von einem auf den anderen Tag von der politischen Bühne zurückgezogen, um sich fortan wieder ausschließlich seiner Arztpraxis zu widmen.
    »Hat man ihn schon benachrichtigt?« fragte Brunetti.
    »Wen?« fragte Bembo verständnislos zurück.
    »Den Vater des Toten.«
    Bembo schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht. Ist das nicht Aufgabe der Polizei?«
    Brunetti beherrschte sich nur mit Mühe. »Wie lange ist es her, daß die

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