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Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Titel: Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Ich glaube, Sie haben ihn schon einmal vernommen.« Brunetti hatte den Namen des Jungen in Pucettis Protokoll gelesen und erinnerte sich, daß dieser Ruffo als auffallend nervös beschrieben hatte. Pucetti nickte, und Brunetti fügte hinzu: »Aber, wenn möglich, nicht in der Schule. Und gehen Sie nicht in Uniform.«
    »Ja, Signore. Ich meine, nein, Signore«, stotterte Pucetti und schob rasch die Frage nach: »Und der Tenente?«
    »Den übernehme ich«, antwortete Brunetti.
    Pucetti sprang auf. »Sowie ich mich umgezogen habe, fahre ich auf die Giudecca, Signore.«
    Als er gegangen war, spielte Brunetti mit dem Gedanken, Scarpa in sein Büro zu zitieren. Doch da er sich mehr davon versprach, den Tenente ohne Vorwarnung zu stellen, stieg er die zwei Treppen zu dem Büro hinunter, das Scarpa sich beharrlich ertrotzt hatte. Jahrelang war der Raum als Abstellkammer genutzt worden, wo die Beamten der Questura ihre Schlechtwetterkleidung und die Stiefel für ein unvermutet hereinbrechendes acqua alta aufbewahrten. Irgendwann war wie durch Zauberei ein Sofa dazugekommen, und seitdem hatten die Beamten der Nachtschicht sich ab und an heimlich eine Stunde Schlaf gegönnt. Auch ging das Gerücht, daß eine Kommissarin auf ebendiesem Sofa in die Freuden des Ehebruchs eingeweiht worden sei. Doch vor drei Jahren hatte ViceQuestore Patta plötzlich angeordnet, alle Stiefel, Schirme und Mäntel auszuräumen; am nächsten Tag war das Sofa verschwunden und wurde durch einen Schreibtisch ersetzt, dessen verspiegelte Glasplatte auf schweren Metallstreben ruhte. In der Questura hatte niemand unter dem Rang eines Kommissars ein eigenes Büro, für seinen Assistenten aber machte Vice-Questore Patta eine Ausnahme und postierte ihn hinter ebenjenem gläsernen Schreibtisch. Zwar kam es wegen dieser vorschriftswidrigen Bevorzugung zu keinem offenen Protest, doch hinter vorgehaltener Hand wurde ausgiebig gelästert.
    Brunetti klopfte an die Tür und trat ein, sowie Scarpas lautes » Avanti !« ertönte. Es folgte der heikle Moment, in dem Scarpa einen seiner Vorgesetzten auf der Schwelle stehen sah. Instinktiv stützte er die Hände auf die Tischplatte, als wolle er sich erheben. Aber dann besann er sich nicht nur darauf, um welchen Vorgesetzten es sich handelte, sondern auch auf seinen Heimvorteil, und er verkürzte die Bewegung zu einem Wippen, das ihn lediglich aufrechter in seinem Sessel plazierte. »Guten Morgen, Commissario«, sagte er. »Was kann ich für Sie tun?«
    Brunetti übersah die huldvolle Geste, mit der Scarpa auf einen Stuhl vor seinem Schreibtisch wies, und blieb an der Tür stehen. »Ich wollte Ihnen nur sagen, daß ich Pucetti für einen Sonderauftrag einteile.«
    Scarpas Gesicht verzog sich zu einer Grimasse, die vielleicht ein Lächeln hätte werden sollen. »Pucetti hat bereits einen Sonderauftrag, Commissario.«
    »Sie meinen Tronchetto?«
    »Ja. Was dort vorgeht, schadet dem Ansehen unserer Stadt.«
    Brunetti befahl seinem besseren Ich, die Diskrepanz zwischen venezianischem Lokalpatriotismus und dem sizilianischen Dialekt, in dem er vorgetragen wurde, zu überhören. »Ich bin nicht sicher, ob ich Ihre Sorge um das Ansehen der Stadt teile, Tenente«, sagte er, »und darum ändere ich Pucettis Dienstplan.«
    Wieder dieses Zucken um die Lippen. »Und natürlich haben Sie das Einverständnis des Vice-Questore?«
    »Ich glaube kaum, daß eine solche Bagatelle wie der Einsatz eines einfachen Polizeibeamten den Vice-Questore sonderlich interessiert.«
    »Im Gegenteil, Commissario. Der Vice-Questore nimmt lebhaften Anteil an allem, was die Polizei unserer Stadt betrifft.«
    Brunetti war das Taktieren leid und fragte rundheraus:
    »Wie meinen Sie das?«
    »Wie ich es gesagt habe, Signore. Und daß der ViceQuestore sich sehr für Ihre Umdisponierung interessieren wird.«
    Gleich einem Tenor mit Registerproblemen bekam Scarpa seine Stimme nicht in den Griff, die beständig zwischen höflicher und drohender Tonlage schwankte.
    »Soll das heißen, Sie werden ihm davon berichten?« fragte Brunetti.
    »Falls es sich ergibt«, versetzte Scarpa verbindlich.
    »Ganz wie Sie meinen«, gab Brunetti ebenso zuvorkommend zurück.
    »Ist das alles, was ich für Sie tun kann, Commissario?«
    »Ja«, antwortete Brunetti knapp und verließ das Büro, bevor ihm doch noch ein deutliches Wort entschlüpfte. Er wußte so gut wie nichts über Tenente Scarpa oder was ihn antrieb: Wahrscheinlich spielte Geld eine nicht unerhebliche Rolle. Der

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