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Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Titel: Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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zum Canal Grande. Als er aus der Unterführung kam, legte gerade ein traghetto an der Uferpromenade an. Brunetti wartete, bis die Passagiere ausgestiegen waren, ging an Bord, drückte dem gondoliere eine der immer noch ungewohnt klobigen Euromünzen in die Hand und hoffte, daß sie für die Überfahrt ausreiche. Aber der junge Mann gab ihm sogar etwas Kleingeld zurück, bevor Brunetti sich in den hinteren Teil der Gondel verzog und knieweich die Balance hielt, während das Boot im Wasser auf und ab schaukelte.
    Als sich dreizehn Personen, darunter ein Mann mit einem triefnassen Schäferhund, dicht an dicht unter die Schirme duckten, die sich fast wie ein durchgehender Schutzschild über ihren Köpfen spannten, stießen die gondolieri vom Kai ab und ruderten ihre Fracht in rascher Fahrt ans andere Ufer. Trotz des heftigen Regens sah Brunetti oben auf der Rialtobrücke unbeschirmte Touristen stehen, die mit dem Rücken zum Kanal für die Kameras ihrer Begleiter posierten.
    Die Gondel glitt neben der kleinen Holztreppe längsseits, und die Fahrgäste gingen einer nach dem anderen von Bord. Brunetti wartete, während der gondoliere vorn am Bug sich anschickte, einer Frau ihr Einkaufswägelchen hinaufzureichen. Eine der Rollen verfing sich an den Stufen, und der Wagen kippte hintenüber, aber der gondoliere fing ihn gerade noch auf. Plötzlich sprang der Hund ins Boot zurück, schnappte sich mit den Zähnen einen alten, zerkauten Tennisball, setzte wieder an Land und jagte seinem Herrn hinterher.
    Brunetti sagte sich, daß er gerade Zeuge einer ganzen Reihe von Gesetzesverstößen geworden war. Die Anzahl der Passagiere hatte das vorgeschriebene Limit überschritten. Wahrscheinlich war es Vorschrift, Schirme während der Fahrt zusammengerollt zu tragen, doch in dem Punkt war er sich nicht ganz sicher und zählte ihn nicht mit. Der Hund trug weder einen Maulkorb, noch war er angeleint, und zwei Touristen, die deutsch sprachen, bekamen ihr Wechselgeld erst auf Verlangen ausgehändigt.
    Auf dem Weg in sein Büro machte Brunetti im Bereitschaftsraum halt und forderte Pucetti auf, mit nach oben zu kommen. Als beide Platz genommen hatten, fragte Brunetti: »Also, was haben Sie weiter in Erfahrung gebracht?«
    Pucetti sah ihn überrascht an. »Sie meinen über San Martino, Signore?«
    »Ja, natürlich.«
    »Interessieren Sie sich denn noch dafür?«
    »Sicher, wieso denn nicht?«
    »Aber ich dachte, die Ermittlungen sind abgeschlossen.«
    »Wer hat das gesagt?« fragte Brunetti, obwohl er es sich denken konnte.
    »Tenente Scarpa, Signore.«
    »Wann?«
    Pucetti blickte zur Seite und dachte nach. »Gestern. Er kam zu mir und sagte, der Fall Moro sei nicht mehr aktuell und ich würde jetzt in Tronchetto eingesetzt.«
    »Tronchetto?« fragte Brunetti entgeistert. Er konnte sich nicht erklären, wieso ein Polizeibeamter einen Parkplatz bewachen sollte.
    »Es sind Beschwerden über diese Typen eingegangen, die vor dem Parkplatz die Touristen abfangen und ihnen Bootsfahrten in die Stadt anbieten.«
    »Beschwerden von wem?« fragte Brunetti.
    »Zum Beispiel von einem Angehörigen der amerikanischen Botschaft in Rom. Er mußte zweihundert Euro für die Fahrt bis San Marco bezahlen.«
    »Was wollte er denn in Tronchetto?«
    »Einen Parkplatz suchen, Signore. Und da hat so ein Kerl mit weißer Mütze und falscher Uniform ihm seine Hilfe angeboten und ihm ein Wassertaxi vermittelt, das ihn angeblich ganz bequem bis vor sein Hotel bringen würde.«
    »Und der Mann hat gezahlt?«
    Pucetti zuckte mit den Schultern. »Sie wissen doch, wie die Amerikaner sind, Signore. Er ist dem Gauner auf den Leim gegangen. Also hat er anstandslos gezahlt, aber als er es den Leuten im Hotel erzählte, haben die ihm gesagt, daß er betrogen wurde. Und da er offenbar ein hohes Tier in der Botschaft ist, hat er mit Rom telefoniert, und daraufhin haben die uns angerufen und sich beschwert. Und seitdem patrouillieren wir dort, damit so was nicht wieder vorkommt.«
    »Wie lange machen Sie das schon?«
    »Ich war gestern draußen, Signore, und in einer Stunde muß ich wieder hin«, sagte Pucetti. Und als er Brunettis Gesichtsausdruck sah, setzte er hinzu: »Es war ein Befehl.«
    Brunetti enthielt sich jeder Bemerkung über die Fügsamkeit des jungen Beamten und sagte nur: »Die Ermittlungen im Fall Moro laufen noch, Sie können also Tronchetto vergessen. Ich möchte, daß Sie noch mal rausfahren nach San Martino und mit einem der Schüler reden, einem gewissen Ruffo.

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