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Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Titel: Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Zigarettenpäckchen unter dem Pullover hervor und sagte: »Ganz im Gegenteil. Aber Giulianos Vater war ein starker Raucher, daher verbindet meine Schwester den Geruch mit ihm. Um sie nicht aufzuregen, rauchen wir beide nur im Freien.«
    »Ob er wiederkommt?« fragte Brunetti, der keinen Versuch gemacht hatte, Giuliano zurückzuhalten. Er war überzeugt, daß man den Jungen nicht zwingen könne, irgend etwas gegen seinen Willen preiszugeben.
    »Er kann ja sonst nirgendshin«, sagte seine Tante, aber es klang nicht unfreundlich.
    Eine Weile saßen sie schweigend, bis Brunetti fragte:
    »Wer bewirtschaftet eigentlich diesen Hof?«
    »Ich. Zusammen mit einem Mann aus dem Dorf.«
    »Wie viele Kühe haben Sie?«
    »Siebzehn.«
    »Kann man denn davon leben?« fragte Brunetti, der so wenig Ahnung von der Landwirtschaft hatte, daß die Zahl des Viehbestandes ihn auch nicht darüber aufklären konnte, wie arm oder wie wohlhabend ein Bauer war.
    »Wir haben einen Treuhandfonds von Giulianos Großvater«, erklärte Tiziana.
    »Ist er tot?«
    »Nein.«
    »Wieso dann der Treuhandfonds?«
    »Er hat ihn beim Tod seines Sohnes eingerichtet. Für Giuliano.«
    »Und zu welchen Bedingungen?« Als sie nicht antwortete, fügte Brunetti hinzu: »Wenn Sie die Frage erlauben.«
    »Ich kann sie Ihnen nicht verbieten«, versetzte sie mit matter Stimme.
    Und nach einer Weile entschloß sie sich offenbar, auch darauf zu antworten. »Giuliano erhält alle vier Monate eine festgesetzte Summe«, erklärte sie.
    Ein gewisses Zögern am Satzende veranlaßte Brunetti, seine Frage zu wiederholen: »Und welche Auflagen sind damit verbunden?«
    »Solange er eine militärische Laufbahn anstrebt, bekommt er das Geld.«
    »Und wenn er einen anderen Beruf wählt?«
    »Erlischt sein Anspruch.«
    »Die Akademie ist Teil dieser Ausbildung?«
    »Ja.«
    »Und jetzt?« fragte Brunetti und deutete auf das ganz und gar unmilitärische Chaos in Giulianos Zimmer.
    Sie zuckte die Achseln, eine Geste, die er mittlerweile als charakteristisch für sie empfand, und sagte dann: »Solange er offiziell beurlaubt ist, gilt er nach wie vor als ...«
    Hilflos brach sie ab.
    »Strebsamer Zögling?« half Brunetti nach und wurde mit einem Lächeln belohnt.
    Da öffnete sich die Tür, und Giuliano kam zurück. Man roch den Zigarettenrauch, als er quer durchs Zimmer zum Bett ging. Seine Schuhe hinterließen Schlammspuren auf dem gekachelten Fußboden. Er setzte sich, stützte die Hände aufs Bett, sah Brunetti an und sagte: »Ich weiß nicht, was passiert ist.«
    »Ist das die Wahrheit oder das, was du dir draußen zurechtgelegt hast?« fragte Brunetti behutsam.
    »Die Wahrheit.«
    »Hast du denn irgendeine Vermutung?« Der Junge schien ihn überhaupt nicht gehört zu haben. »Oder kannst du dir denken, wie es gewesen sein könnte?«
    Nach einer langen Pause - Giuliano hielt den Kopf wieder gesenkt und starrte unverwandt auf seine Schuhspitzen - stieß er hervor: »Ich kann nicht dahin zurück.«
    So verzweifelt, wie das herauskam, glaubte Brunetti ihm sofort. Trotzdem wollte er den Grund wissen. »Warum nicht?«
    »Weil ich nicht Soldat werden kann.«
    »Und wieso nicht, Giuliano?«
    »Es liegt mir einfach nicht. Es kommt mir alles so dumm vor: die ewigen Befehle und das Strammstehen, und immerfort machen alle dasselbe. Es ist nicht zum Aushalten.«
    Brunetti suchte Tizianas Blick, aber die hatte nur Augen für ihren Neffen und schenkte dem Commissario keine Beachtung. Als der Junge weitersprach, wandte auch Brunetti sich ihm wieder zu. »Ich wollte von Anfang an nicht, aber mein Großvater sagte, es sei der Wunsch meines Vaters gewesen, daß auch ich Offizier werde.« Hier sah er zu Brunetti auf, der seinen Blick stumm erwiderte.
    »Das ist nicht wahr, Giuliano«, mischte seine Tante sich ein. »Er hat das Militär immer gehaßt.«
    »Und warum ist er dann Offizier geworden?« fuhr Giuliano zornig auf.
    Sie schwieg lange, wie um abzuwägen, welche Wirkung ihre Worte haben würden. Endlich sagte sie: »Aus demselben Grund, aus dem du nach San Martino gegangen bist: um deinen Großvater glücklich zu machen.«
    »Den kann man nicht glücklich machen.«
    In dem Schweigen, das darauf folgte, drehte Brunetti sich um und schaute aus dem Fenster, aber alles, was er sah, war eine weite, kahle Landschaft mit ein paar vereinzelten Baumstümpfen hier und da.
    Es war Tiziana, die schließlich das Schweigen brach.
    »Dein Vater wollte immer Architekt werden, zumindest hat deine Mutter mir das

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