Brunetti 13 - Beweise, daß es böse ist
Sie waren uns eine große Hilfe. Sie haben uns nicht nur davor bewahrt, einen Fall abzuschließen, der noch nicht zur Genüge ausermittelt wurde, sondern uns darüber hinaus auch gute Gründe dafür geliefert, unsere ursprünglichen Schlußfolgerungen zu revidieren.« Womit er ihr indirekt zu verstehen gab, daß zumindest er es nicht für nötig hielt, die Glaubwürdigkeit ihrer Aussage zu prüfen.
Brunetti erhob sich und trat mit ausgestreckter Hand auf sie zu. »Ich danke Ihnen für Ihr Kommen und für Ihre Offenheit, Signora. So wie Sie hätten nicht viele gehandelt.«
Signora Gismondi, die darin eine indirekte Entschuldigung für Scarpas arroganten Auftritt sah, schüttelte dem Commissario die Hand und verließ sein Büro.
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N achdem die Frau gegangen war, kehrte Brunetti an seinen Schreibtisch zurück und dachte nach über das, was er eben gehört hatte, zunächst aus Scarpas Sicht und dann von Signora Gismondi persönlich. Sie hatte ihm eine völlig plausible Geschichte erzählt: Leute verreisten, und während sie fort waren, ging das Leben in der Stadt seinen Gang. Oft genug hielten die Abwesenden keine Verbindung mit daheim, sei es, um das Gefühl des Fernseins besser auskosten zu können, sei es, weil sie, wie im Falle der Signora, uneingeschränkt in eine fremde Sprache oder Kultur eintauchen wollten. Warum hätte eine allem Anschein nach so vernünftige und ehrliche Frau wie Signora Gismondi eine solche Geschichte erfinden und trotz der Einwände, die Scarpa mit Sicherheit erhoben hatte, daran festhalten sollen? Brunetti konnte sich keinen einleuchtenden Grund vorstellen.
Viel leichter war es, an der Lauterkeit von Scarpas Motiven zu zweifeln. Hätte er Signora Gismondis Aussage akzeptiert, wäre das gleichbedeutend mit dem Eingeständnis gewesen, daß die Polizei sich übereilt für eine bequeme Lösung des Verbrechens entschieden hatte. Und natürlich hätte man eine Erklärung für den Verbleib des von der Polizei beschlagnahmten und dann verschwundenen Geldes finden müssen. Beides hatte Tenente Scarpa zu verantworten. Vor allem aber müßte, sofern man Signora Gismondis Geschichte Glauben schenkte, der Fall Battestini neu aufgerollt werden; besser gesagt, man wäre genötigt, über drei Wochen nach dem Mord die Ermittlungen erstmals ernsthaft in Angriff zu nehmen.
Brunetti war, als Signora Battestinis Leiche gefunden wurde, im Urlaub gewesen, und da man den Fall bei seiner Rückkehr bereits zu den Akten gelegt hatte, widmete er sich wieder den Ermittlungen gegen den Gepäckabfertigungsdienst am Flughafen. Da die Beschuldigten mehrfach dabei gefilmt worden waren, wie sie die Koffer der Passagiere durchwühlten und Wertgegenstände entwendeten, und da einige der Verdächtigen sich in der Hoffnung auf ein leichteres Strafmaß bereit erklärt hatten, gegen die anderen auszusagen, blieb für Brunetti kaum mehr zu tun, als Akten und Protokolle zu wälzen und in ermüdenden Verhören diejenigen zu überführen, die bislang nicht geständig waren. Zwar hatte er im Urlaub etwas über den Mord gelesen, doch da er sich törichterweise dazu verleiten ließ zu glauben, was in den Zeitungen stand, war auch er von der Schuld der Rumänin überzeugt gewesen. Warum sonst hätte sie versuchen sollen, das Land zu verlassen? Warum sonst dieser panikartige Fluchtversuch vor der Polizei?
Nun, Signora Gismondi hatte ihm eben sehr einleuchtende Antworten auf diese Fragen geliefert: Florinda Ghiorghiu wollte aus Italien fort, weil sie hier ihre Arbeit verloren hatte, und sie versuchte der Polizei zu entkommen, weil sie aus einem Land stammte, in dem die Polizei als ebenso korrupt wie gewalttätig galt und wo der bloße Gedanke, ihren Schergen in die Hände zu fallen, ausreichte, um auch einen Unschuldigen in die Flucht zu schlagen.
Als der Commissario Scarpa vor einer Stunde in Signorina Elettras Büro begegnet war, hatte der Tenente geschäumt vor Wut über eine, wie er steif und fest behauptete, lügenhafte Zeugin. Signorina Elettra, die seine Stimmung rasch erfaßt hatte, machte ihm den Vorschlag: »Vielleicht könnte ja ein anderer die Wahrheit aus der Frau herausbekommen.«
Brunetti wunderte sich, wie höflich Signorina Elettra auf den Tenente einging und wie bereitwillig sie ihm zu glauben schien. Erst als sie sich an ihn wandte, durchschaute er ihre List.
»Commissario, der Tenente hat ja schon wichtige Vorarbeit geleistet, indem er den Schwindel dieser Frau aufdeckte. Vielleicht könnte jemand anders sie
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