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Brunetti 13 - Beweise, daß es böse ist

Brunetti 13 - Beweise, daß es böse ist

Titel: Brunetti 13 - Beweise, daß es böse ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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festzustellen, ob ...« Brunettis Vorstellungskraft versagte, und er ließ den Satz in der Schwebe.
    »Ich denke, das einfachste wäre, die Angebote zu vergleichen und zu sehen, wer wieviel an Kosten und Arbeitszeit veranschlagte. Wenn Fedis Onkel wesentlich teurer war oder weniger Leistung bot, dann dürften wir die Lösung gefunden haben.«
    Vianellos Begeisterung ließ keinen Zweifel daran, welches Ergebnis er erwartete. Brunetti aber, der seit vielen Jahren beobachtete, wie genial und erfinderisch die Italiener ihren Staat beraubten, konnte sich kaum vorstellen, daß ein Erfolgsmensch wie Fedi, wenn er denn seinem Onkel unter der Hand Aufträge zugeschanzt haben sollte, so naiv gewesen wäre, nachweisbare Spuren zu hinterlassen. »Überprüfen Sie auch, ob Zeitvorgaben überschritten wurden und, wenn ja, ob das Konsequenzen hatte«, sagte er. Ein Vorschlag, der auf seiner nunmehr zwanzigjährigen Erfahrung mit städtischen Behörden fußte.
    Vianello nickte zustimmend und verließ das Büro. Brunetti spielte für einen Moment mit dem Gedanken, ihm nachzugehen und den beiden bei der Arbeit zuzuschauen - er war nicht so töricht, sich vorzumachen, daß er irgendwie dabei helfen könnte -, doch er wußte, daß es klüger war, sich herauszuhalten. Nicht nur, weil es ohne ihn schneller gehen würde, sondern auch, weil er auf die Weise sein Gewissen davor bewahrte, sich mit den immer weiter ausufernden illegalen Machenschaften Signorina Elettras zu befassen und mit Vianellos Ermittlungstaktiken.

20
    N ach über einer Stunde siegte Brunettis Ungeduld über seine Vernunft, und er ging doch hinunter. Aber als er Signorina Elettras Büro betrat, wo er sie und Vianello über den Computer gebeugt wähnte, fand er das Zimmer zu seinem Erstaunen verwaist, auch wenn der leere Bildschirm noch ein fahles Licht abstrahlte. Pattas Tür war geschlossen, und Brunetti, dem plötzlich bewußt wurde, daß er seinen Vorgesetzten schon seit Tagen nicht mehr gesehen hatte, fragte sich unwillkürlich, ob der ViceQuestore etwa schon nach Brüssel übersiedelt sei und, von allen unbemerkt, seine Arbeit für Interpol aufgenommen habe. Kaum daß er dieser Möglichkeit Raum gegeben hatte, mußte er unwillkürlich auch ihre Konsequenzen in Erwägung ziehen: Wen aus der Schar der Opportunisten, die sprungbereit auf dem schlüpfrigen Beförderungstreppchen lauerten, würde man zu Pattas Nachfolger machen?
    Die geographische Enge Venedigs spiegelte sich im Sozialverhalten seiner Bewohner wider: Wie das dichte Netz weitverzweigter calli, das sich über die sechs sestieri spannte, so waren auch die Venezianer durch mannigfache Beziehungen miteinander verknüpft. Strada Nuova und Via XXII Marzo eignete die übersichtliche Direktheit von Familienbanden; jeder konnte ihnen mühelos folgen. Calle Lunga Barnaba und Barbaria delle Tole, die zwar auch noch geradlinig verliefen, aber wesentlich kürzer und schmäler waren, glichen dem Verkehr unter guten Freunden: Es bestand kaum Gefahr, sich zu verlaufen, dafür war ihre Reichweite begrenzt. Die Mehrzahl der calli aber, die das Fortkommen in der Stadt ermöglichten, waren eng und verwinkelt und mündeten nicht selten in eine Sackgasse oder Abzweigung, die den Arglosen von seinem Ziel entfernte, wenn nicht gar in die entgegengesetzte Richtung lockte: Dies war der trügerische Irrgarten, durch den sich all die Beklagenswerten schlängeln mußten, denen es an direkten Verbindungen mangelte, um ihren Bestimmungsort zu erreichen.
    In all den Jahren, die er nun schon in Venedig lebte, war es Patta nicht gelungen, sich allein in den engen calli zurechtzufinden, aber er hatte zumindest gelernt, Venezianer vorauszuschicken, damit sie ihn durch die jahrhundertealten Labyrinthe aus Ränken und Intrigen lotsten und ihm halfen, die Hindernisse und falschen Abzweigungen zu vermeiden, die in neuerer Zeit hinzugekommen waren. Zu seinem Nachfolger hatte die Zentralregierung in Rom ohne Zweifel einen Fremden bestimmt - wobei den Venezianern jeder, der nicht in Hörweite der Lagune geboren war, als Fremdling galt -, und der würde sich dann hoffnungslos verfransen auf der Suche nach geraden Wegen und direkten Zugangsmöglichkeiten. Betroffen mußte Brunetti sich eingestehen, daß er nicht wollte, daß Patta ging.
    Brunetti tauchte aus seinen Grübeleien auf, als er Vianellos Stimme vernahm. Sein tief dröhnender Baß mischte sich mit dem hellen Lachen Signorina Elettras. Unbefangen traten die beiden ein, stockten aber beim

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