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Brunetti 13 - Beweise, daß es böse ist

Brunetti 13 - Beweise, daß es böse ist

Titel: Brunetti 13 - Beweise, daß es böse ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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jeden Vorwurf erhaben war.
    Chiara erbot sich, beim Abwasch zu helfen, doch als Paola ihr erklärte, den würde sie heute selber machen, wegen des Fischs, argwöhnte sie dahinter keineswegs Zweifel an ihren hausfraulichen Fähigkeiten, sondern nutzte die willkommene Begnadigung, um sich in Raffis Abwesenheit des Computers zu bemächtigen.
    Brunetti erhob sich, als Paola mit Geschirrspülen fast fertig war, und holte die Mokkakanne aus dem Schrank.
    »Kaffee?« fragte Paola erstaunt. Sie kannte seine Gewohnheiten und wußte, daß er nach dem Abendessen normalerweise nur im Restaurant noch einen Kaffee trank.
    »Ja, ich bin total erledigt«, gestand er.
    »Da solltest du vielleicht lieber früh zu Bett gehen«, schlug sie vor.
    »Ich weiß nicht, ob ich schlafen kann, bei der Hitze.«
    »Dann laß mich rasch noch die Küche fertigmachen«, sagte sie, »und anschließend setzen wir uns raus auf die Terrasse. Bis du müde wirst.«
    »Also gut«, stimmte er zu, stellte die Kanne weg und öffnete die nächste Schranktür. »Was trinkt man denn am besten bei der Hitze?« fragte er und überflog die in zwei Regalen aufgereihten Flaschen.
    »Kohlensäurehaltiges Mineralwasser.«
    »Sehr komisch.« Brunetti langte weit nach hinten, förderte eine Flasche Galliano zutage und formulierte seine Frage neu: »Stell dir vor, du sitzt auf der Terrasse und betrachtest den Sonnenuntergang, neben dir den Menschen, den du von allen auf dieser Welt am meisten liebst, und dir wird klar, daß es im Leben kein größeres Glück gibt als, mit eben diesem Menschen zusammenzusein - was sollte man dazu wohl trinken?«
    Paola, die gerade das Geschirrtuch über den Griff der Bestecklade hängte, maß ihn mit einem langen Blick, der in ein spitzbübisches Lächeln mündete. »Einem Mann in deiner Verfassung würde man wohl eher stilles Wasser empfehlen«, sagte sie und ging ihm voraus auf die Terrasse.
    Am nächsten Morgen litt Brunetti unter jener lähmenden Trägheit, die ihn heimzusuchen pflegte, wenn er sich bei einem Fall in eine Sackgasse manövriert hatte. Hinzu kam die drückende Hitze, die den Tag bereits in ihren Klauen hatte, als er erwachte. Weder die Tasse Kaffee, die Paola ihm ans Bett brachte, vermochte seine Lebensgeister zu wecken, noch die ausgiebige Dusche - ein Luxus, den er sich um so entspannter gönnte, als Raffi und Chiara bereits zum Strand aufgebrochen waren und niemand zornig an die Badezimmertür trommeln würde, wenn er mehr Wasser verbrauchte, als das ökologische Gewissen seiner Kinder erlaubte.
    Da eine Unterhaltung mit Paola, die sich in zwei Jahrzehnten Eheleben ein Gewohnheitsrecht auf die Rolle des Morgenmuffels erworben hatte, so früh am Tage auch keine Aufheiterung versprach, verließ Brunetti gleich nach dem Duschen die Wohnung. Innerlich stand er immer noch mit der Welt auf Kriegsfuß, als er sich dem Rialto näherte und beschloß, in der Bar an der nächsten Ecke einen zweiten Kaffee zu trinken. Er kaufte eine Zeitung und überflog die Schlagzeilen, während er die Bar betrat. Den Blick weiter auf die Titelseite gerichtet, stellte er sich an die Theke und verlangte einen Kaffee und eine Brioche. Das vertraute Stampfen und Zischen der Kaffeemaschine nahm er nur mit halbem Ohr wahr. Erst auf das leise Klirren hin, mit dem die Tasse vor ihn hingestellt wurde, hob er den Kopf und sah erstaunt, daß die Frau, die ihm seit vielen Jahren den Kaffee serviert hatte, nicht mehr da war - oder sich in eine halb so alte Chinesin verwandelt hatte. Ein Blick zur Kasse belehrte ihn, daß auch die neuerdings in der Hand eines Chinesen war.
    Seit Monaten konnte man nun schon diese schleichende Übernahme der innerstädtischen Lokale durch die Chinesen beobachten. Doch dies war das erste Mal, daß Brunetti es in einer der Bars erlebte, in denen er Stammgast war. Er verkniff sich die Frage, wo Signora Rosalba und ihr Mann hin seien, und rührte statt dessen zwei Stück Zucker in seinen Kaffee. Ein Blick in den Plastikbehälter verriet, daß die Brioches nicht zu vergleichen waren mit den frischen, mit mirtillo gefüllten, die er jahrelang hier gegessen hatte. Dem Aufkleber auf dem Behälter entnahm er, daß es sich bei den neuen um Tiefkühlware aus Mailand handelte. Er trank seinen Kaffee aus, zahlte und ging.
    Da die Boote um die Zeit noch nicht mit Touristen überfüllt waren, bestieg er in San Silvestro die Linie eins, blieb an Deck stehen und las den Gazzettino. Die Nachrichten waren indes seiner Stimmung ebensowenig

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