Brunetti 13 - Beweise, daß es böse ist
Raten. Die aber hätte jemand mit einem leidlich guten Gehalt durchaus verschmerzen können. Angenommen, Sie wären noch ledig und wohnten bei den Eltern, dann hätten auch Sie soviel abzweigen können«, erklärte er dem verdutzten Vianello.
Der wollte schon vehement widersprechen, doch dann bedachte er Brunettis Vorgabe und mußte nach einer Pause grollend eingestehen: »Ja, wenn ich noch zu Hause wohnte und keine Hobbys hätte und nie auswärts essen ginge und keine modischen Ansprüche hätte, dann wäre es wohl gegangen.« Aber weil er doch kein so guter Verlierer war, fügte er noch an: »Trotzdem wäre es nicht leicht gewesen. Es ist und bleibt eine Menge Geld.«
»Aber nicht genug, um das Schweigen eines Mitwissers zu erkaufen, der nachweisen kann, wie der Vertrag über die komplette Restaurierung eines solchen Gebäudes zustande kam.« Brunetti tippte mit dem Finger auf den Bildschirm, wo geradezu unheimlich die gigantische Endsumme aufleuchtete. »Ein Geschäft dieser Größenordnung hätte ihnen Millionen eingebracht. Kein Erpresser« - hier nannte er das Verbrechen endlich beim Namen - »würde sich mit so wenig begnügen, nicht wenn für sein Opfer so viel auf dem Spiel steht.«
Erwartungsvoll sah er die beiden an, gespannt, ob sie mit seiner Deutung einverstanden waren. Vianellos bedächtiges Nicken und Signorina Elettras zustimmendes Lächeln gaben ihn die gewünschte Antwort. »Wir haben uns«, fuhr er fort, korrigierte sich aber sogleich und gestand: »Ich habe mich in die fixe Idee verrannt, es handle sich um Schweigegeld für etwas Großes, Bedeutendes - wie diesen Vertrag. Aber in Wahrheit geht es hier um eine kleine, schäbige Affäre, ganz persönlich und privat.«
»Und wahrscheinlich schmutzig«, fiel Vianello ein.
Brunetti wandte sich an Signorina Elettra. »Ich weiß nicht, was Sie über die Mitarbeiter der Schulbehörde in Erfahrung bringen können.« Zu betonen, daß er sich nicht mehr darum scherte, wie sie sich ihre Informationen beschaffte, schien ihm überflüssig. »Und ich kann Ihnen leider auch keine Anhaltspunkte zu der Person geben, die wir suchen. Ich weiß nur so viel, daß Signora Battestini vor ihrer Anwältin damit geprahlt hat, wie gut ihr Sohn für ihr Alter vorgesorgt habe.« Brunetti schlug in gespielter Frömmigkeit die Augen zur Decke empor und ergänzte: »Mit Hilfe der Madonna.« Beide lächelten über seine Parodie, und er fuhr fort: »Wir suchen also nach jemandem, der, als die Zahlungen einsetzten, bei der Schulbehörde angestellt war und ein Gehalt bezog, von dem er zur Not hunderttausend Lire im Monat hätte abtreten können.«
»Vielleicht«, unterbrach Vianello, »war unser Mann ja auch so reich, daß Geld für ihn keine Rolle spielte.«
Signorina Elettra schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, daß so jemand bei der Schulbehörde arbeiten würde, Ispettore.«
Brunetti befürchtete schon, ihre spöttische Bemerkung könnte Vianello gekränkt haben, aber das schien nicht der Fall. Der Inspektor nickte vielmehr gedankenvoll und sagte nach einer kleinen Pause: »Es ist doch merkwürdig, daß der Betrag sich nie geändert hat. Die Löhne sind gestiegen, alles ist teurer geworden, aber die monatlichen Zahlungen an die Battestini blieben immer konstant.«
Signorina Elettra horchte auf, ließ sich in ihren Stuhl gleiten, tippte ein paar Befehle in die Tastatur, dann noch einige mehr, und schon wurden die Seiten auf dem Bildschirm durch die Belege der verschwundenen Bankkonten ersetzt. Sie scrollte die Zahlenkolonnen herunter bis zu dem Monat der Währungsumstellung. Nachdem sie die Buchung für Januar geprüft hatte und zum Februar kam, blickte sie zu Brunetti auf und sagte: »Sehen Sie sich das an, Commissario. Zwischen Januar und Februar besteht eine Differenz von fünf centesimi.«
Brunetti beugte sich über den Bildschirm und sah, daß die Einzahlung für Februar, wie sie gesagt hatte, um fünf centesimi höher war als die vom Januar. Signorina Elettra drückte eine Taste, und auf dem Bildschirm erschienen die Kontoauszüge von März und April, beide mit dem angeglichenen Betrag. Sie zog den kleinen Taschenrechner aus einer Schreibtischlade, der zur Zeit der Euroumstellung jedem Bürger des Landes zugesandt worden war, tippte rasch ein paar Ziffern ein und sagte aufblickend: »Die Einzahlung für Februar stimmt haargenau mit den früheren Lira-Raten überein.« Sie legte den Taschenrechner in die Schublade zurück. »Fünf centesimi«, wiederholte sie
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