Brunetti 13 - Beweise, daß es böse ist
Anblick Brunettis: Das Gelächter verstummte, die Heiterkeit auf ihren Gesichtern erlosch.
Ohne daß sie einen Grund für ihr langes Ausbleiben genannt hätte, schlüpfte Signorina Elettra hinter ihren Computer, schaltete ihn ein und tippte routiniert ein paar Befehle in die Tasten, woraufhin zwei Dokumente nebeneinander auf dem Bildschirm erschienen. »Das sind die erfolgreichen Gebote der Firma von Fedis Onkel aus der Zeit, als Fedi Direktor der Schulbehörde war, Commissario.«
Brunetti trat neben sie und erkannte oben auf jeder Seite den Briefkopf der Stadtverwaltung und darunter etliche fettgedruckte Textblöcke. Sie drückte eine Taste, und der Bildschirm zeigte zwei weitere, scheinbar identische Seiten, die ein neuerlicher Tastendruck alsbald wieder verschwinden ließ und durch ein drittes Seitenpaar ersetzte, diesmal ohne Briefkopf. Die Blätter waren aufgeteilt in eine Textspalte und eine Zahlenkolonne.
»Hier haben wir den Kostenvoranschlag, Commissario.«
Brunetti nahm sich die letzte Seite vor, überflog ein paar Stichworte und ließ den Blick nach rechts wandern, um zu sehen, wie hoch die jeweiligen Bauteile oder Dienstleistungen veranschlagt waren. Allein er fand sich einfach nicht zurecht, da ihm viele Angaben überhaupt nichts sagten und er keine Ahnung hatte, was die einzelnen Posten üblicherweise kosteten.
»Haben Sie das mit den anderen Geboten verglichen?« fragte er, den Blick vom Bildschirm wendend.
»Ja.«
»Und?«
»Und seins war günstiger«, sagte sie hörbar enttäuscht. »Nicht nur das, er verbürgte sich auch für die Einhaltung der vorgegebenen Bauzeit und bot für jeden Tag, den die Frist überschritten würde, ein Bußgeld an.«
Brunettis Blick kehrte hilfesuchend auf den Bildschirm zurück, als könnte sich ihm bei näherer Betrachtung der Worte und Ziffern die List offenbaren, mit der Fedi sich den Auftrag erschlichen hatte. Aber so lange er die Seiten auch studierte, er kam einfach nicht dahinter. Resigniert richtete er sich schließlich auf und fragte: »Und gab's Überziehungen?«
»Keine«, antwortete sie, gab ein paar Befehle ein und wartete, bis die neu aufgerufenen Dokumente auf dem Bildschirm erschienen. »Das gesamte Projekt wurde fristgerecht fertiggestellt«, erklärte sie und deutete auf einen Absatz, der vermutlich den Beweis dafür lieferte. »Darüber hinaus«, fuhr sie fort, »wurde auch der Budgetplan nicht überschritten, und ein Ingenieur, mit dem ich telefoniert habe, sagt, die handwerkliche Qualität lag weit über dem, was im kommunalen Bereich sonst üblich ist.« Als sie sah, wie resigniert er das aufnahm, ergänzte sie fast widerstrebend: »Das gleiche gilt für die beiden Schulen, die er hier in der Stadt restauriert hat, Commissario.«
Brunettis Blick wanderte vom Bildschirm zu ihr, dann zu Vianello und endlich zurück auf den Computer. In der Vergangenheit hatte er sich oft ermahnt, sich strikt an die Beweislage zu halten und nicht von seinem Wunschdenken leiten zu lassen. Und doch passierte es ihm schon wieder: Da Signorina Elettras Informationen nicht mit seiner Theorie übereinstimmten, hätte er ihnen am liebsten ihren Wert abgesprochen oder nach Beweisen gesucht, mit denen sich die vorhandenen entkräften ließen.
Dann aber fiel es ihm wie Schuppen von den Augen: Die Spur, auf die er Vianello und Signorina Elettra gesetzt hatte, diese Spur endete nicht erst jetzt in einer Sackgasse - sie hatte von Anfang an in die Irre geführt. »Es ist alles falsch«, sagte er. »Wir sind von ganz falschen Voraussetzungen ausgegangen.«
Der Titel eines Buches, das er vor ein paar Jahren gelesen hatte, fiel ihm ein, und er zitierte ihn laut: »The March of Folly. Auf uns übertragen heißt das: Wir sind wie verblendete Narren hinter dem großen Coup hergewesen, statt uns auf das Geld zu konzentrieren.«
»Ist das etwa kein Geld?« fragte Vianello und wies auf den Bildschirm.
»Ich rede von dem Geld auf den Konten der Alten«, beharrte Brunetti. »Wir haben nur die große Summe unterm Strich gesehen und die einzelnen Zahlungen vernachlässigt.«
Die Mienen der beiden verrieten, daß sie ihm immer noch nicht folgen konnten, was Vianellos entrüsteter Einwurf »Für unsereins sind dreißigtausend Euro eine Menge Geld« nachdrücklich bestätigte.
»Ja, natürlich«, räumte Brunetti ein. »Das ist ohne Frage eine große Summe und war es vor zehn Jahren erst recht. Aber wir haben eben immer nur den Gesamtbetrag im Auge gehabt und nicht die monatlichen
Weitere Kostenlose Bücher