Brunetti 14 - Blutige Steine
Conte, »die wartet.« Das Boot legte sich an der Landestelle längsseits, und Massimo streckte den Kopf in die Kabine. Doch als der Conte keine Anstalten machte, sich zu erheben, steuerte er in den Kanal zurück und ließ das Boot im Leerlauf dümpeln. Es regnete nicht mehr, stellte Brunetti fest, während sich draußen die aufgelassene Abfertigungshalle am Fenster vorbeischob.
»Eine Frage steht noch aus, Guido: Warum hätte jemand euren Afrikaner töten sollen?«
»Um die Diamanten zu rauben?«
»Möglich«, antwortete der Conte. »Aber das glauben wir wohl beide nicht.«
»Dann, um den Verkauf der Steine zu verhindern.«
»Ihren Verkauf oder die Anschaffungen, die mit dem Erlös getätigt werden sollten?«
»Ich tippe auf letzteres«, gab Brunetti zu.
»Und darum möchtest du wissen, welcher Waffenhändler hier am ehesten in Frage kommt? Und dich auf die Spur deines toten Afrikaners führen könnte?« So brachte der Conte das Gespräch mit zwei Sätzen zum Ausgangspunkt zurück.
»Ja. Ich wüßte nicht, wo ich sonst ansetzen sollte.«
»Wenn ich dazu etwas sagen darf, Guido«, bemerkte der Conte respektvoll. »Meines Erachtens kommt der Lieferant als Mörder am wenigsten in Frage. Warum sollte er sich das eigene Geschäft verpatzen? Im übrigen sind diejenigen, die mit Waffen handeln, in aller Regel nicht selbst mit Mord befaßt.«
Diesmal erhob Brunetti keinen Einwand.
»Was mir Kopfzerbrechen macht«, fuhr der Conte fort, »das ist die Rolle der beiden Ministerien.« Er schnippte ein Staubkorn von seiner Hose und wandte sich dann wieder Brunetti zu. »Es ist nicht ungewöhnlich, daß Waffengeschäfte von der Regierung ... nun, sagen wir, ›gedeckt‹ werden. Schließlich ist der Rüstungssektor einer unserer erfolgreichsten Industriezweige. Aber so eine Protektion setzt eigentlich voraus, daß der Käufer bekannt ist.«
»Du meinst, eine andere Staatsmacht?«
»Ja. Oder gerne auch eine revolutionäre Gruppe, die sich anschickt, eine amtierende Regierung zu stürzen.« Der Conte lächelte diabolisch. »Die Amerikaner sind nicht die einzigen, die es zu schätzen wissen, wenn unbequeme Politiker durch solche ersetzt werden, die ihren Geschäftsmethoden wohlwollender gegenüberstehen.« Wieder dieses Lächeln. »Noch besser, zumindest aus ökonomischer Sicht, ist es, dafür zu sorgen, daß die kriegerischen Auseinandersetzungen nicht abreißen, damit der Nachschubhandel so lange gesichert bleibt, wie Rohstoffe zur Verfügung stehen, mit deren Verkauf neue Waffenlieferungen finanziert werden können. Im Idealfall für beide Parteien.«
Der Conte sah seinen Schwiegersohn lange an; er hob die Hand, als wolle er sie Brunetti auf die Schulter legen, stützte dann aber die Handfläche wieder neben sich auf den Sitz. »Die Beteiligung der beiden Ministerien erweckt den Eindruck - ich möchte fast sagen, die Befürchtung -, daß es sich um eine hochgefährliche Situation handelt.«
Brunetti wollte etwas erwidern, doch sein Schwiegervater kam ihm zuvor: »Nein, sag nicht, das sei durch die Ermordung des Afrikaners bereits erwiesen. Ich spreche von dir, Guido. Du bist in Gefahr, du und jeder andere, der sich diesen Leuten in den Weg stellt.«
Das Kielwasser eines motoscafo, das mit überhöhter Geschwindigkeit vorbeibrauste und sein Tempo erst auf den letzten Metern vor dem Pier drosselte, erwischte sie breitseits und schleuderte Brunetti so heftig nach vorn, daß er sich an der Kante der Sitzbank gegenüber festhalten mußte.
»Komm, hier können wir unmöglich bleiben«, sagte der Conte. Gebückt ging er nach vorn und klopfte an das Glasfenster in der Tür. Auf sein Zeichen hin brachte Massimo den Motor auf Touren und sprang, als sie am Pier angelegt hatten, mit der Leine an Land. Sobald das Boot sicher vertäut war, ging der Conte von Bord. Doch als Brunetti ihm folgen wollte, winkte er ab. »Nein, bleib nur, Guido. Massimo fährt dich gleich zurück.«
Und da Brunetti fragend zu ihm aufschaute, fügte er hinzu: »Ich werde ein paar Telefonate führen und teile dir dann mit, was immer ich weitergeben kann.«
Eine Sturzwelle schwappte jäh gegen die Bootswand, und Brunetti senkte den Kopf, um sich zu vergewissern, ob seine Füße im Trocknen standen. Als er wieder zum Conte hochsah, parkte neben ihm ein dunkelgrauer Lancia mit laufendem Motor, und ein Chauffeur in Livree hielt die Fondtür auf.
Gleich danach sprang Massimo wieder an Deck und steuerte das Boot zügig vom Pier fort. »Soll ich Sie zur
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