Brunetti 14 - Blutige Steine
Aber angenommen, unserem Mann gelingt es dennoch, die Steine einzeln abzusetzen, dann hätte er eine stetig sprudelnde Geldquelle - zumindest solange der Vorrat reicht. Das Problem wäre nur, ein sicheres Versteck für die Diamanten zu finden.« Der Conte vergewisserte sich mit einem Seitenblick, daß Brunetti seinen Ausführungen folgte. »Aber du sagtest, der Mann habe versucht, eine größere Menge auf einmal zu veräußern?«
Brunetti nickte.
Der Conte lehnte den Kopf in die Kissen zurück und schloß die Augen. »In dem Fall können wir davon ausgehen, daß er eine Anschaffung tätigen wollte, für die er sehr, sehr viel Geld brauchte.« Er schlug die Augen auf und maß Brunetti mit durchdringendem Blick. »Darauf bist du auch schon gekommen, nicht wahr?«
»Auf Waffen und Kriegsgerät, ja«, bestätigte Brunetti. »Ich wollte mich bei dir erkundigen, wer da als Lieferant in Frage käme, damit ich mir ein Bild machen kann von dem, was geschehen ist.«
Wieder schloß der Conte die Augen. »Ah, du enttäuschst mich wirklich nie, Guido.« Und dabei schüttelte er in gespielter Verzweiflung den Kopf. »Aber in Zukunft bitte ich mir aus, daß du mich nicht mehr nachsichtig mit meiner Kombinationsgabe prahlen läßt, obwohl du längst deine eigenen Schlüsse gezogen hast.«
»Versprochen«, sagte Brunetti.
Beide schauten jetzt zum Fenster hinaus und sahen die dicken Holzpfähle vorübergleiten, die die Fahrrinne markierten. Dann nahm der Conte wieder das Wort. »Sobald unser Mann oder seine Auftraggeber den Waffenkauf getätigt haben - meines Erachtens die leichtere Übung -, stellt sich die Frage des Transports. Und da setzen die Schwierigkeiten ein.«
Brunetti hatte keine Ahnung, welchen Typ Waffen und wie viele davon man für sechs Millionen Euro erwerben konnte, angenommen, dies war das Minimum, das beim Verkauf der Diamanten erzielt worden wäre. Durch das Fernsehen waren Uzis und Kalaschnikows mittlerweile jedem Durchschnittsbürger ein Begriff; Brunetti versuchte zu schätzen, wie viele ausrangierte Maschinengewehre man für sechs Millionen bekommen würde, verhedderte sich jedoch hoffnungslos in seinen Kalkulationen.
Unterdessen fuhr der Conte fort: »Man müßte die Waffen zu einem Hafen bringen, was sich leicht mit Lkws bewerkstelligen ließe. Dann bräuchte man gefälschte Frachtbriefe, die Zollbeamten müßten bestochen und die Schiffahrtsgesellschaft gefügig gemacht werden. Ferner die Kosten für das Löschen der Ladung im Einreisehafen, von wo aus abermals ein Lkw-Transport zu organisieren wäre.« Der Conte hielt inne, um Brunetti Gelegenheit zu geben, sich die möglichen Komplikationen auf diesem etappenreichen Weg zu vergegenwärtigen. »Wer immer das Geschäft eingefädelt hat, würde mithin wesentlich mehr Geld benötigen, um diese - wie soll ich mich ausdrücken - Nebenkosten zu bestreiten. Und dann bräuchte man noch jemanden am Zielort, der die angekauften Waffen in Empfang nimmt und - äh - sie verteilt.« Er legte Brunetti die Hand auf den Arm. »Das alles würde eine minutiös ausgeklügelte Organisation erfordern, zumindest am Bestimmungsort. Hier bräuchte man nur jemanden für den Verkauf der Steine und den Ankauf der Waffen. Vermutlich war das dein toter Afrikaner.« Der Conte wischte über die beschlagene Fensterscheibe und trocknete sich anschließend die Hand mit einem Taschentuch. Man sah indes auch durch die geputzte Scheibe kaum mehr als zuvor.
»Eins ist mir unerfindlich«, fuhr der Conte fort. »Nämlich warum er versucht hat, die Diamanten auf eigene Faust zu verhökern. Diese Art Geschäfte werden in der Regel lange im voraus eingefädelt.«
»Wie bitte?« fragte Brunetti entgeistert.
»Ja, normalerweise ist der Deal bereits ausgehandelt - nicht selten auf Regierungsebene -, bevor die Steine nach Europa gebracht werden. Häufig vereinbart man ein simples Tauschgeschäft: Diamanten gegen Waffen, das erspart die heiklen Transfers hoher Geldbeträge.« Und als ob es dem Commissario nicht schon mulmig genug gewesen wäre, fügte der Conte hinzu: »Den Transport arrangiert man dann für gewöhnlich mittels einer entsprechenden Provisionszulage.«
Ehe Brunetti fragen konnte, was in dem Zusammenhang mit »Regierungsebene« gemeint sei, spürte er, wie das Boot seine Fahrt verlangsamte, und schloß daraus, daß sie in die enge Zufahrt zum Flughafenpier eingelaufen waren. Mit einem Blick auf seine Uhr fragte er: »Wann geht deine Maschine?«
»Keine Sorge«, antwortete der
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