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Brunetti 14 - Blutige Steine

Brunetti 14 - Blutige Steine

Titel: Brunetti 14 - Blutige Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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er darauf zusammengetragen hatte, zurück in die unterste Schublade, die er mit einem Fußtritt schloß. Dann begab er sich nach unten.
    Als er das Labor betrat, saß Bocchese am Schreibtisch - ein seltener Anblick. Der Kriminaltechniker war ständig so damit beschäftigt, irgend etwas zu säubern, zu vermessen und zu wiegen, daß Brunetti nie in den Sinn gekommen war, auch er könne gelegentlich ruhig dasitzen.
    »Worum geht's?« fragte Brunetti. »Wieder die Fingerabdrücke?«
    »Ja. Bei Interpol gibt es keinen Abgleich für den Toten. Nirgends - weder in den Personalakten noch in der Fahndungskartei.« Bocchese ließ Brunetti einen Moment Zeit, seine Enttäuschung zu verarbeiten. »Aber ...«, fuhr er fort, und Brunettis Augen richteten sich gespannt auf ihn. »Aber auf die Eingabe unserer Abdrücke erfolgte die Weisung, künftig jede Anfrage den Ermordeten betreffend unverzüglich an unser Innenministerium weiterzuleiten.«
    »Und ist das geschehen?« Brunetti dachte mit Schrecken an die möglichen Folgen.
    Bocchese hüstelte leise, was verdächtig nach falscher Bescheidenheit klang. »Mein Freund im Ministerium war so rücksichtsvoll, seine Vorgesetzten nicht damit zu behelligen.«
    »Verstehe«, sagte Brunetti, und diesmal stimmte es.
    »Im übrigen wollte er es noch an einer anderen Stelle versuchen, aber das könnte ein Weilchen dauern.« Und Brunettis Frage vorwegnehmend, ergänzte Bocchese: »Nein, ich habe nicht gefragt, wo. Aber da ist noch etwas.« Mit einer Geste, die sich vielleicht auf die Verläßlichkeit von Freunden bezog, fuhr er fort: »Er hat mir etwas sehr Merkwürdiges über die Fingerspuren erzählt, die in dem Haus in Castello sichergestellt wurden.«
    »So? Was denn?« Brunetti trat näher, setzte sich aber nicht, sondern blieb vor dem Schreibtisch stehen.
    »Diese Abdrücke waren identisch mit denen eines gewissen Michele Paci, bis vor drei Jahren im Dienst der DIGOS .«
    »Waren?« fragte Brunetti.
    »Nun, er ist tot.«
    Bocchese gab ihm Zeit, das zu verarbeiten, bevor er weitersprach. »Natürlich habe ich meinen Freund gefragt, ob es sich um eine Verwechslung handeln könne. Aber der Verdacht war ihm auch schon gekommen, und er hatte einen zweiten Abgleich gemacht. Die Übereinstimmung ist einwandfrei nachzuweisen; die DIGOS sind eben bei der erkennungsdienstlichen Behandlung ihrer Mitarbeiter besonders gründlich, auch was die Erfassung der Fingerabdrücke betrifft.«
    »Wie ist er gestorben?«
    »In seiner Akte steht nichts darüber. Auf der Sterbeurkunde heißt es« - hier blätterte Bocchese in den Papieren auf seinem Schreibtisch - »›in Ausübung seiner Pflicht tödlich verunglückt‹.«
    »Wie kommt dann sein Fingerabdruck auf die Tür? Und auf die Kekspackung?«
    Bocchese zuckte nur mit den Schultern. »Als der Bescheid kam, habe ich selbst die Gegenprobe gemacht. Die Abdrücke sind garantiert identisch. Wenn der aus der Kartei des Ministeriums von diesem Michele Paci stammt, dann sind auch die beiden aus Cuzzonis Haus von ihm.«
    »Heißt das, er ist nicht tot?«
    Bocchese lächelte unmerklich. »Es sei denn, er hätte wirklich seine Hand ausgeliehen.«
    »Ist Ihnen so was schon mal vorgekommen?«
    »Nein.«
    »Oder könnte jemand anders den Abdruck vorsätzlich dort plaziert haben?« fragte Brunetti, obwohl das keinen Sinn ergab.
    Bocchese schüttelte denn auch nur energisch den Kopf.
    »Dann lebt er also?«
    »Ich denke schon.«
    »Und wie ist das mit Interpol? Sind bei denen nicht auch die Fingerabdrücke aller Polizeiangehörigen gespeichert?«
    »Soviel ich weiß, schon«, antwortete Bocchese. »Aber vielleicht sind die DIGOS als Sondereinheit ausgenommen.«
    Nach längerem Schweigen fragte Brunetti: »Können Sie sich auf Ihren Freund verlassen?«
    »Sie meinen, ob er den Mund hält?«
    »Ja.«
    »Ich vertraue darauf - was nicht viel heißen will.« Als er sah, wie Brunetti zusammenzuckte, lächelte Bocchese beruhigend. »Er wird nichts verraten. Schließlich war das, was er getan hat, illegal.«
    Auf dem Weg zurück in sein Büro versuchte Brunetti, das, was er von Bocchese erfahren hatte, in einen vernünftigen Zusammenhang zu bringen. Wenn die Fingerabdrücke im Zimmer des Ermordeten tatsächlich von einem Beamten des Geheimdiensts stammten, konnten die Ermittlungen sonstwo hinführen. Nein, korrigierte sich Brunetti bei näherer Betrachtung: In dem Fall würden seine Ermittlungen höchstwahrscheinlich nirgendwo hinführen. In der jüngsten Geschichte häuften sich

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