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Brunetti 14 - Blutige Steine

Brunetti 14 - Blutige Steine

Titel: Brunetti 14 - Blutige Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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wie die Stadt vom Verdienst der vucumprà profitiert. Glaubst du, daß auch nur ein Cent ihrer Einnahmen der Stadt zugute kommt?« Obwohl es eine rein rhetorische Frage war, hielt Erizzo inne, wie um zu prüfen, ob Brunetti einen Einwand wagen würde. Als der Commissario schwieg, verkündete Marco: »Nein, das geht alles da runter, Guido.« Mehr brauchte er nicht zu sagen, um deutlich zu machen, wohin die Gelder flossen.
    »Was macht dich da so sicher?« fragte Brunetti.
    Er hörte, wie Erizzo tief Luft holte. »Weil keiner diese Burschen behelligt, ganz einfach. Weder die Guardia di Finanza, noch die Carabinieri oder deine Leute. Und weil sie offenbar ganz nach Belieben bei uns einreisen, ohne daß man sie an der Grenze aufhalten würde. Was entweder bedeutet, es schert sich keiner darum, oder jemand möchte nicht, daß sie kontrolliert werden.« Die Pause nach diesem letzten Satz dauerte so lange, daß Brunetti schon glaubte, Marco sei mit seinem Plädoyer zu Ende, doch dann kam seine Stimme wieder durch die Leitung: »Und wenn ich dächte, du hättest noch nicht genug, würde ich hinzufügen, daß die Schuld bei denen liegt, die vor den vucumprà wie vor all den anderen illegalen Einwanderern die Augen verschließen und sie zu unschuldigen Opfern politischer Unterdrückung hochstilisieren - während die Polizei tatenlos vor ihnen auf und ab stolziert.«
    Brunetti, der nicht wußte, wie er mit dem Zorn seines Freundes umgehen sollte, ließ eine ganze Weile verstreichen, ehe er mit betont ruhiger Stimme sagte: »Das war die längste Definition von ›Vertrieb‹, die ich je gehört habe.« Bevor Marco etwas erwidern konnte, setzte er hinzu: »Und auch die aufschlußreichste.«
    Marco schwieg ebenfalls sehr lange, und Brunetti konnte fast hören, wie das Räderwerk der Freundschaft, das kurzfristig ins Stocken geraten war, knirschend wieder in Gang kam. »Gut«, sagte Marco endlich, und für Brunetti klang diese eine Silbe wie ein Echo auf seine eigene Erleichterung darüber, daß sie wieder auf festem Boden standen. »Ich kann zwar nicht meine Hand dafür ins Feuer legen, daß es so läuft, aber vieles spricht dafür.«
    War es nun das Dilemma des Historikers oder das des Polizisten, grübelte Brunetti, daß er nie ganz bis zur Wahrheit vordringen konnte, sondern immer nur so weit, wie etwas plausibel erschien? Doch statt diesen Überlegungen nachzuhängen, sollte er sich wohl lieber bei Marco bedanken. Aber kaum daß er über die Anrede hinaus war, unterbrach ihn Erizzo und sagte: »Ich muß Schluß machen, Guido. Ein Anruf auf der anderen Leitung.« Und schon hatte er aufgelegt.
    Das Gespräch hatte Brunetti zwar keine neuen Erkenntnisse gebracht, ihn aber in dem Glauben bestärkt, die ambulanten Händler ständen unter dem besonderen Schutz von - einen Augenblick lang war er ratlos, wie man das, selbst im stillen Kämmerlein, am besten formulieren solle -, von »Mächten, die mit denen des Rechtsstaates im Widerstreit liegen«, lautete der Euphemismus, den er schließlich zu Hilfe nahm.
    Brunetti holte ein Notizbuch aus der Schublade und schlug es in der Mitte auf, wo er die gewünschte Telefonnummer fand. Bevor er sie wählte, addierte er zu den eingetragenen Ziffern jeweils eine Eins hinzu und schämte sich gleichzeitig für diesen so simplen Code. Als sich nach dem fünften Klingelton eine Männerstimme meldete, sagte Brunetti nur: »Guten Morgen, ich hätte gern Signor Ducatti gesprochen.« Prompt erklärte der Mann am anderen Ende, er müsse sich verwählt haben, worauf Brunetti sich für die Störung entschuldigte und auflegte. Dumm nur, daß er nicht vor dem Telefonat auf einen Kaffee in die Bar an der Brücke gegangen war: Jetzt saß er in seinem Büro fest, bis Sandrini zurückrief.
    Um sich die Zeit zu vertreiben, zog er ein paar Unterlagen aus dem Eingangskorb und begann zu lesen.
    Erst eine halbe Stunde später klingelte sein Telefon. Brunetti meldete sich mit Namen, und dieselbe Stimme, die behauptet hatte, er hätte sich verwählt, fragte: »Was ist los?«
    »Mir geht's gut, Renato«, versetzte Brunetti. »Danke der Nachfrage.«
    »Sagen Sie schon, was Sie wollen, Brunetti, damit ich wieder in mein Büro zurückkann.«
    »Ah, demnach sind Sie zum Telefonieren an die frische Luft gegangen?« fragte Brunetti scheinheilig.
    »Kommen Sie endlich zur Sache«, knurrte Sandrini gereizt.
    »Ich möchte wissen, ob die - wie soll ich mich ausdrücken? -, also ob die Geschäftspartner Ihres Schwiegervaters

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