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Brunetti 14 - Blutige Steine

Brunetti 14 - Blutige Steine

Titel: Brunetti 14 - Blutige Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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freudlos. »Was schlägst du vor, Guido? Einen Beschwerdebrief an deine Vorgesetzten, in dem ich sie auffordere, sich mehr um das Wohlergehen der Bürger zu kümmern? Nächstens wirst du mir noch raten, eine Postkarte an den Vatikan zu schicken, auf daß die Herrschaften dort sich meines seelischen Wohls annehmen.« Die Entrüstung in Erizzos Stimme war in bittere Resignation umgeschlagen. »Ihr Typen«, fuhr er fort und meinte damit vermutlich die Polizei, »ihr könnt die doch höchstens für ein oder zwei Tage einsperren, und dann müßt ihr sie wieder laufenlassen. Ihr haut ihnen ja nicht mal mehr auf die Finger, stimmt's?« Erizzo hielt inne, doch Brunetti versagte es sich vorsichtshalber, diese Pause für einen Einwand zu nutzen.
    »Nein, Guido, gegen die vucumprà bin ich machtlos. Mir bleibt nur die Hoffnung, daß sie ihre Decken nicht vor einem meiner Läden ausbreiten, so wie vor Max Mara, denn wenn sie's täten, müßte ich noch mehr Verluste einstecken, und sonst passierte gar nichts. Die Politiker stellen sich taub, und ihr könnt - oder wollt - auch nichts unternehmen.«
    Wieder schien es Brunetti ratsam, sich mit seiner Meinung zurückzuhalten. Statt dessen wiederholte er seine Frage: »Aber was weißt du über die Leute?«
    »Wahrscheinlich nicht mehr als jeder andere in der Stadt«, erwiderte Erizzo. »Daß sie aus dem Senegal stammen und Moslems sind. Die meisten leben in Padua, aber auch hier gibt es etliche. Sie lassen sich weiter nichts zuschulden kommen; die Taschen sind Qualitätsware, und die Preise stimmen.«
    »Woher weißt du, daß die Taschen was taugen?« Eine diplomatische Frage, mit der Brunetti den Freund von seinem Unmut abzulenken hoffte.
    »Weil ich sie mir angesehen habe«, sagte Erizzo. »Glaub mir, Guido, sogar Louis Vuitton persönlich, sofern es ihn gibt, könnte nicht zwischen der echten Markenware und den Kopien dieser Händler unterscheiden. Das gleiche Leder, die gleiche Verarbeitung, die gleichen Logos.«
    »Verkaufen sie auch Kopien von deinen Taschen?«
    »Na sicher!« schnauzte Erizzo zurück.
    Brunetti überhörte den gereizten Unterton und fuhr fort: »Man hat mir erzählt, die gefälschten Markenartikel würden in Puglia hergestellt. Weißt du etwas darüber?«
    »Das habe ich auch gehört.« Erizzos Stimme klang kein bißchen freundlicher. »Es handelt sich um dieselben Fabriken. Bei Tage arbeiten sie für die legalen Firmen, und nachts werden die Imitationen hergestellt.«
    »Was heißt da noch ›Imitation‹, wenn alles aus ein und derselben Herstellung kommt?« Brunetti lachte, um der düsteren Wendung, die ihr Gespräch genommen hatte, entgegenzusteuern.
    Doch Marco war nicht so leicht aufzuheitern. »Da ist wohl was dran«, brummte er nur.
    »Weißt du vielleicht auch, wer die Hintermänner sind?« hakte Brunetti nach.
    »Da müßte einer schon arg verkalkt sein, wenn er sich das nicht zusammenreimen könnte - wo die Sache so groß aufgezogen ist und so gut organisiert.« Und einen Hauch versöhnlicher fügte Erizzo hinzu: »Sie haben nur ein einziges Problem.«
    »Und das wäre?« fragte Brunetti.
    »Den Vertrieb«, lautete die verblüffende Antwort.
    »Wie das?«
    »Überleg doch mal, Guido. Produzieren kann jeder. Nichts leichter als das: Alles, was du brauchst, sind die Rohmaterialien, eine geeignete Lokalität und genügend Arbeitskräfte, die bereit sind, deine Lohnvorstellungen zu akzeptieren. Problematisch wird's erst, wenn es gilt, einen Ort zu finden, wo sich das, was du hergestellt hast, auch verkaufen läßt.« Da Brunetti schwieg, fuhr Erizzo fort: »Ein Laden verursacht eine Menge Kosten: Miete, Heizung, Licht, einen Buchhalter, Verkaufspersonal. Und das Schlimmste von allem: Du mußt Steuern zahlen.« Brunetti fragte sich, ob er je eine Unterhaltung mit Marco geführt hatte, die nicht früher oder später bei diesem Thema gelandet war.
    »Ich kann ein Lied davon singen, Guido!« versicherte Erizzo, und seine Stimme schwoll wieder bedenklich an. »Ich zahle nämlich Steuern. Für meine Läden, für meine Angestellten, auf das, was ich verkaufe, und auf den mageren Gewinn, der mir unterm Strich bleibt. Meine Angestellten wiederum versteuern ihr Gehalt. Ein Gutteil von diesen Steuereinnahmen verbleibt hier in Venedig, Guido, und das, was die Leute verdienen, geben sie ebenfalls hier aus.« Marco kam jetzt richtig in Fahrt, doch was ihn anspornte, hatte nichts mit Freundschaft oder wiederaufkeimender Vertrautheit zu tun.
    »Und nun sag mir einmal,

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