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Brunetti 14 - Blutige Steine

Brunetti 14 - Blutige Steine

Titel: Brunetti 14 - Blutige Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Schüchternheit machte ihn neugierig, doch er blieb zurückhaltend und sagte nur, es freue ihn, daß sie mit ihnen essen würde.
    Während er darauf wartete, daß sie sich wieder hinsetzte, schien sie ihm den Vortritt lassen zu wollen. Bis Chiara sie am Pullover zupfte und sagte: »Komm, setz dich, Azir. Er frißt dich schon nicht.« Errötend sank das Mädchen auf seinen Stuhl und schlug die Augen nieder.
    Als Chiara das sah, stand sie auf und trat zu ihrem Vater. »Jetzt paß mal gut auf, Azir.« Damit bückte sie sich und schaute Brunetti fest in die Augen. »Mit der Kraft meines Blickes werde ich dich jetzt in Trance versetzen und in einen tiefen Schlaf.«
    Brunetti spielte mit und schloß folgsam die Augen.
    »Und? Schläfst du?« fragte Chiara.
    »Ja«, murmelte Brunetti mit matter Stimme und ließ den Kopf auf die Brust sinken. Paola, die bis hierher belustigt zugesehen hatte, kehrte jetzt an den Herd zurück und richtete vier Teller Pasta an.
    Chiara wedelte mit der flachen Hand vor Brunettis Augen hin und her, um Azir zu beweisen, daß sie ihren Vater tatsächlich hypnotisiert hätte. Dann beugte sie sich hinunter und raunte ihm mit langgedehnten Silben ins Ohr: »Wer ist die wundervollste Tochter von der Welt?«
    Brunetti hielt die Augen tapfer geschlossen und murmelte etwas Unverständliches.
    Chiara fixierte ihn mit gereiztem Blick und brachte ihren Mund noch dichter an sein Ohr. »Wer ist die wundervollste Tochter von der Welt?«
    Mit flatternden Lidern bekundete Brunetti, daß die Frage endlich angekommen sei. Und dann begann er schleppend und mit undeutlicher Stimme zu sprechen. »Die wundervollste Tochter von der Welt ist ...«
    Im Vorgefühl ihres Triumphes trat Chiara zurück, überzeugt, gleich ihren Namen zu hören.
    Brunetti hob den Kopf, riß die Augen weit auf und vollendete: »... ist Azir.« Gleichzeitig aber drückte er Chiara zum Trost an sich und küßte sie aufs Ohrläppchen. Just in dem Moment hörte man Paola vom Herd her rufen: »Chiara, würdest du eine wundervolle Tochter sein und mir beim Auftragen helfen?«
    Während Chiara eine Schüssel pappardelle con porcini vor ihn hinstellte, sah Brunetti verstohlen zu Azir hinüber und stellte erleichtert fest, daß sie die Tortur, namentlich so hervorgehoben worden zu sein, offenbar ganz gut überstanden hatte.
    Chiara, die inzwischen wieder an ihrem Platz saß und zur Gabel griff, fragte plötzlich mit einem mißtrauischen Blick auf die Pasta: »Da ist doch hoffentlich kein Schinken drin, mammà?«
    »Natürlich nicht. Schinken und Pilze - wo denkst du hin«, gab Paola erstaunt zurück. »Aber warum fragst du?«
    »Weil Azir keinen Schinken essen darf.«
    Brunetti, der mitgehört hatte, hielt den Blick geflissentlich auf seine eigene Tochter gerichtet, um die wundervollste von der Welt nicht noch mehr in Verlegenheit zu bringen.
    »Aber das weiß ich doch, Chiara«, antwortete Paola. Und an Azir gewandt: »Hoffentlich magst du Lamm, Azir? Zum Hauptgang gibt's nämlich gegrillte Lammkoteletts.«
    »Ja, Signora, sehr gern.« Das waren Azirs erste Worte, seit ihre Tortur, wie Brunetti es bei sich nannte, ihren Anfang nahm. Sie hatte einen kaum hörbaren Akzent.
    »Eigentlich wollte ich mich an Fessenjun probieren«, fuhr Paola fort, »aber das macht deine Mutter sicher viel besser, und darum bin ich bei den Koteletts geblieben.«
    »Sie kennen Fessenjun?« Azirs Gesicht hellte sich auf.
    Paola lächelte über einem Mundvoll Pappardelle. »Ich hab's ein- oder zweimal gemacht, ja, aber die richtigen Gewürze sind hier schwer zu finden. Besonders der Granatapfelsaft.«
    »Oh, meine Mutter hat von einer Tante etliche Flaschen bekommen. Sie gibt Ihnen bestimmt gern eine ab«, versetzte Azir eifrig. Und jetzt, wo ihre Züge sich belebten, sah Brunetti erst, wie liebreizend sie war: eine feine, gerade Nase und Mandelaugen, umrahmt von rabenschwarz glänzenden, kinnlangen Haaren.
    »Ach, das wäre ja phantastisch. Und vielleicht hilfst du mir dann beim Kochen?«
    »Gern«, sagte Azir. »Ich werde meine Mutter bitten, das Rezept aufzuschreiben.«
    »Leider verstehe ich kein Farsi«, entgegnete Paola, und es klang, als entschuldige sie sich dafür.
    »Würde es auf englisch gehen?« fragte Azir.
    »Aber sicher.« Paola nickte bekräftigend und fragte mit einem Blick in die Runde: »Möchte noch jemand Pasta?«
    Als sich keiner meldete, wollte sie die Teller einsammeln, doch Azir kam ihr zuvor und räumte unaufgefordert den Tisch ab. Anschließend ging

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