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Brunetti 14 - Blutige Steine

Brunetti 14 - Blutige Steine

Titel: Brunetti 14 - Blutige Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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was aus ihrer Muttersprache. Wir, die wir sie ständig kontrollieren müssen, haben ihren Akzent inzwischen im Ohr. Aber dieser Typ klang anders.«
    »Wie anders?«
    »Ach, schwer zu sagen. Irgendwie fremd eben.« Moretti zögerte, als versuche er den Tonfall wieder einzufangen, aber sein Gedächtnis ließ ihn offenbar im Stich, und er sagte nur: »Nein, ich kann's nicht besser beschreiben.«
    »Und Cattaneo?«
    »Ich hab ihn gefragt, aber ihm ist der Akzent nicht mal aufgefallen.«
    Brunetti mußte sich wohl oder übel damit zufriedengeben. »Und die Männer, mit denen er gestritten hat? Waren das auch Schwarze?«
    »Nein! Italiener. Alle zwei hatten eine carta d'identità«, antwortete Moretti.
    »Und haben Sie sich zu den beiden irgendwas gemerkt?«
    »Nein, nur daß es keine Venezianer waren.«
    »Woher kamen sie denn?«
    »Aus Rom.«

21
    W ie die meisten Italiener hatte auch Brunetti ein gespaltenes Verhältnis zu Rom. Er liebte die Stadt, ja war ein williges Opfer ihrer überbordenden Schönheit und bescheinigte ihr unumwunden den gleichen majestätischen Zauber wie seiner Vaterstadt. Das, wofür sie stand, war ihm dagegen suspekt; argwöhnisch und voreingenommen betrachtete er dieses metaphorische Rom als Brutstätte fast all der schmutzigen Korruptionsskandale, die sein Land erschütterten. In der Città eterna residierte die Macht, eine Macht, die toll geworden war wie ein Frettchen, das Blut geleckt hat. Kaum, daß er sich in diesen übertriebenen Abscheu hineingesteigert hatte, schritt jedoch sein Verstand ein und nötigte ihn zur Mäßigung: Gewiß waren ihm während seiner Laufbahn zahllose ehrliche Beamte und Bürokraten aus der Metropole untergekommen; und gewiß gab es auch Politiker, die sich von anderen Motiven als Habgier und persönlicher Eitelkeit leiten ließen. Ganz gewiß.
    Mit einem Blick zur Uhr beendete Brunetti diesen allzu vertrauten Gedankengang. Als er sah, daß es bereits lange nach zwölf war, rief er Paola an und sagte ihr, er sei im Aufbruch, würde das Vaporetto nehmen, aber sie bräuchten nicht mit dem Essen auf ihn zu warten. Natürlich würden sie warten, entgegnete Paola knapp und legte auf.
    Als er aus der Questura trat, regnete es in Strömen. Unter das Eingangsportal geduckt, bemerkte er einen der neuen Bootsführer, der sich an Deck seiner Barkasse zu schaffen machte. »Foa! In welche Richtung fahren Sie?«
    Der Mann wandte sich nach ihm um und wirkte - selbst auf die Entfernung - schuldbewußt. Was Brunetti zu der Beteuerung veranlaßte: »Mir ist es gleich, ob Sie zum Mittagessen nach Hause fahren. Sagen Sie mir nur, in welche Richtung.«
    Foas Miene hellte sich auf, und er rief zurück: »Zum Rialto, Commissario. Ich kann Sie also gerne heimbringen.«
    Brunetti zog sich den Mantel über den Kopf und spurtete los. Foa hatte das Verdeck ausgefahren, und Brunetti beschloß, oben bei ihm auszuharren: Wenn sie schon die Amtsgewalt mißbrauchten, dann lieber Seite an Seite.
    Foa setzte ihn an der Calle Tiepolo ab. Doch obwohl die hohen Bauten rechts und links ein wenig Schutz vor dem Regen boten, war, bis Brunetti vor seinem Haus anlangte, der Mantel völlig durchnäßt. Und als er ihn im Treppenflur ausschüttelte, spritzte das Wasser nach allen Seiten. Auf dem Weg nach oben spürte er, wie die Feuchtigkeit durch sein Jackett kroch, und an dem verräterischen Glucksen merkte er, auch ohne hinzuschauen, daß seine Schuhe durchgeweicht waren.
    Brunetti hatte Mantel und Jackett aufgehängt und sich der Schuhe entledigt, bevor er die häusliche Wärme und ihren Duft wahrnahm; erst als er beides in sich aufgenommen hatte, gelang es ihm, sich zu entspannen. Die Familie hatte ihn wohl kommen hören, denn schon auf dem Flur zur Küche schallte ihm Paolas Begrüßung entgegen.
    Als er - in Socken - eintrat, fand er eine Fremde an seinem Tisch: Auf Raffis Platz saß ein junges Mädchen. Kaum daß er in der Tür stand, war sie aufgesprungen. »Das ist meine Freundin Azir Mahani«, stellte Chiara sie vor.
    »Hallo«, sagte Brunetti und bot ihr die Hand.
    Das Mädchen blickte unsicher von ihm zu Chiara. Die nickte ihr aufmunternd zu. »Nun gib ihm schon die Hand, Dummchen. Das ist mein Vater.«
    Das Mädchen beugte sich vor und streckte die Hand aus, aber so steif und zaghaft, als fürchte es, Brunetti würde sie womöglich nicht zurückgeben. Er nahm sie und hielt sie einen Moment lang so behutsam in der seinen, als wäre es ein Kätzchen, ein besonders zartes. Ihre auffallende

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