Brunetti 14 - Blutige Steine
gemocht, Guido. Weil du deine Arbeit so ernst nimmst.«
Brunetti, den Gespräche über Paolas Vater, seine Vorlieben und Abneigungen, immer leicht nervös machten, lenkte zum Thema zurück: »Und Chiara?«
»Die wird schon klarkommen«, sagte Paola mit einer Zuversicht, die sie sich wohl selbst erst einreden mußte. Und nach einer langen Pause fügte sie hinzu: »Anfangs dachte ich ja, ich hätte sie zu streng ins Gebet genommen, wegen ihrer Äußerung über den vucumprà. Aber jetzt glaube ich, es war richtig so.«
»Auf jeden Fall besser, als sie zu schlagen«, sagte Brunetti.
»Und vermutlich auch wirksamer.« Paola lehnte sich wieder an ihn und befand: »Wir müssen eben einfach abwarten.«
»Was denn?«
»Wie sie sich entwickelt«, sagte Paola und griff nach Buch und Brille.
22
B ald darauf verließ Brunetti das Haus, nicht eben traurig darüber, einer längeren Diskussion über die seelischen Tumulte weiblicher Teenager entgangen zu sein. Die Erinnerung an die eigene Jugend und die bohrende Angst davor, nicht dazuzugehören oder von den Kameraden nicht akzeptiert zu werden, war mit den Jahren verblaßt. Er wußte zwar, daß seine Tochter unter den gleichen Hemmungen litt; da er selbst deren Joch aber nicht mehr spürte, war ihm nicht ganz wohl dabei, ihr so leicht verziehen zu haben.
Von seinem Logikstudium war immerhin so viel hängengeblieben, daß er zu erkennen vermochte, wann er sich - auch mit seinen eigenen Schlußfolgerungen - vergaloppiert hatte. Trotzdem schien ihm die Befürchtung gerechtfertigt, Chiara könnte, wenn es ihr heute an Mitgefühl mangelte, später einmal da versagen, wo ihr Beistand gefordert war. Ob sein eigener notorischer Argwohn gegen die Südländer sich im Umgang mit ihnen ähnlich negativ auswirken mochte? Die Frage blieb einstweilen offen, denn der Commissario hatte es eilig, ins Büro zu kommen.
Auf seinem Schreibtisch erwartete ihn eine Telefonnotiz: »Claudio Stein bittet um Rückruf unter seiner Privatnummer.« Eine Aufforderung, der Brunetti umgehend nachkam. Er benutzte dazu Signor Rossis telefonino und war froh, als der alte Herr sich gleich selbst meldete.
»Ich bin's, Claudio«, sagte Brunetti. »Ich habe Ihre Nachricht erhalten.«
»Gut, ich bin froh, daß du anrufst. Ich habe mit meinem Freund telefoniert und dachte mir, du bist sicher gespannt, was er gesagt hat.«
»Der Diamantenhändler in Antwerpen?« fragte Brunetti.
»Genau der.«
»Und?«
»Also ich habe zweimal mit ihm gesprochen«, präzisierte Claudio. »Beim erstenmal meinte er, die Steine kämen aus Afrika, doch auf meinen Einwurf, das wisse ich bereits, fragte er, ob er mich zurückrufen könne. Und als er sich wieder meldete, gestand er, die Steine einem weiteren Experten gezeigt zu haben.«
»Hoffentlich einem, der diskret ist«, entfuhr es Brunetti unwillkürlich.
»Guido, niemand ist diskreter als ein Antwerpener Diamantenhändler«, beschied ihn der alte Stein kühl. »Ein Schweizer Bankier ist dagegen die reinste Klatschbase.«
»Gut zu wissen«, sagte Brunetti erleichtert. »Aber ich habe Sie unterbrochen: Was sagt nun dieser zweite Experte?«
»Daß die Steine aus dem Kasai stammen. Und mein Freund ist derselben Meinung.«
»Kasai?« wiederholte Brunetti ratlos, denn er hatte noch nie davon gehört.
»Ein Landstrich in Westafrika. Gehört zum Kongo, aber einige der Minen reichen bis nach Angola hinein, so daß beide Staaten die Schürfrechte für sich beanspruchen. In der Region herrschen kriegsähnliche Zustände, weshalb kaum noch jemand die offiziellen Grenzen respektiert.«
»Und Ihr Freund in Antwerpen ist sich ganz sicher?« fragte Brunetti, der nicht wußte, ob es darauf ankam, es aber einfach leid war, sich mit Einschränkungen und Vorbehalten begnügen zu müssen. Er wünschte sich nichts sehnlicher als ein paar gesicherte Informationen, unabhängig davon, ob die für ihn wichtig sein mochten oder nicht.
»Nicht hundertprozentig«, lautete Claudios knappe Antwort. Dann aber fuhr er nachsichtiger fort: »Sein Gewährsmann hat sich die Zeit genommen, die Herkunft der Steine anhand des Farbspektrums zu überprüfen.« Es klang, als müsse diese Probe selbst den letzten Zweifler überzeugen. »Ohne das Verfahren zu kennen, sagt dir das vielleicht nichts, aber du darfst es getrost glauben: Die Diamanten stammen mit neunzigprozentiger Sicherheit aus Kasai.« Da Brunetti schwieg, setzte Claudio nach: »Eine bessere Garantie kann dir niemand geben, Guido.«
»Na gut«,
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