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Brunetti 16 - Lasset die Kinder zu mir kommen

Brunetti 16 - Lasset die Kinder zu mir kommen

Titel: Brunetti 16 - Lasset die Kinder zu mir kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Diskussion einlassen. »Der Dottore hatte sich seiner Festnahme widersetzt und einem Mitglied des Einsatzteams die Nase gebrochen.«
    Schon stürzte Paola sich auf ihn wie ein Habicht auf seine Beute. »Einem? Ja, wie viele waren es denn?«
    »Zwei«, schwindelte Brunetti und wunderte sich, wie schnell es gehen konnte, daß ausgerechnet er sich genötigt sah, Pedrollis Angreifer zu verteidigen.
    »Und waren die bewaffnet?« fragte sie.
    Doch Brunetti war es auf einmal leid, sich aushorchen zu lassen. »Ich erzähle dir alles, wenn ich nach Hause komme, Paola, einverstanden?«
    »Ja, sicher«, antwortete sie. »Aber sag, kennst du diesen Arzt?«
    »Nein.« Daß seine Erkundigungen ihm ein positives Bild von Pedrolli vermittelt hatten, zählte noch nicht als Bekanntschaft, entschied er im stillen.
    »Warum wurde er denn festgenommen?« fragte Paola.
    »Er hat vor anderthalb Jahren ein Baby adoptiert, auf illegalem Wege, wie es scheint.«
    »Und was ist mit dem Kind?« wollte Paola wissen.
    »Das hat man weggebracht«, sagte Brunetti in sachlichem Ton.
    »Weggebracht?« echote Paola, nun wieder so streitbar wie zuvor. »Was soll denn das heißen?«
    »Das Kind wurde in Pflege gegeben.«
    »Zurück zu seiner leiblichen Mutter oder in ein Waisenhaus?«
    »Letzteres, fürchte ich«, gestand Brunetti.
    Es entstand eine lange Pause, bevor Paola wie im Selbstgespräch resümierte: »Anderthalb Jahre. Gott, was sind das doch für herzlose Banditen, findest du nicht?«
    Ihr beipflichten und den Staat verraten oder widersprechen und Verrat üben an der Sache der Menschlichkeit: Brunetti überdachte seine Alternativen und gab die einzige Antwort, die für ihn in Frage kam. »Ja.«
    »Wir reden darüber, wenn du nach Hause kommst, in Ordnung?« lenkte Paola da ganz versöhnlich ein.
    »Ja«, wiederholte Brunetti und legte auf.
    Der Commissario war froh, daß er Paola nichts von den übrigen Betroffenen erzählt hatte, die fast zwei Jahre lang bespitzelt worden waren. Weder Alvise noch er selbst hatten begreifen können, wieso ein wissender Staatsapparat die Kinder so lange in der Obhut der Adoptiveltern beließ. In den ersten Lebensjahren seines Kindes wurde ein Mann erst wirklich zum Vater; Brunetti wußte das, zumindest erinnerte er sich, daß seine eigenen Kinder ihm in dieser Phase untrennbar ans Herz gewachsen waren. Hätte man ihm danach aus irgendeinem Grund eins von beiden weggenommen, wäre ein wesentlicher Teil seiner Existenz für den Rest seines Lebens unwiderruflich zerstört gewesen. Aber kaum daß sich diese Erkenntnis gesetzt hatte, mußte Brunetti sie auch schon revidieren: Nein, die Trennung von einem seiner Kinder wäre vom ersten Moment an genauso schmerzlich gewesen wie nach achtzehn Monaten oder achtzehn Jahren.
    Zurück auf seinem Plastikstuhl, wahrte er abermals den gebührenden Abstand zur Flurwand und grübelte erneut über Pattas rätselhaften Auftritt nach. Er mußte zwanzig Minuten warten, bis Pedrollis Frau auf den Flur hinaustrat. Sie wirkte jetzt merklich angegriffen.
    »Sind Sie immer noch da?« fragte Signora Marcolini. »Entschuldigen Sie, aber ich habe Ihren Namen vergessen.«
    »Brunetti, Signora. Guido.« Brunetti erhob sich lächelnd, reichte ihr aber auch diesmal nicht die Hand. »Ich habe mit den Schwestern gesprochen. Ihr Mann scheint hier sehr beliebt zu sein. Man wird sicher alles Menschenmögliche für ihn tun.«
    Er war auf eine harsche Entgegnung gefaßt und hatte sich nicht getäuscht. »Dann sollte man als erstes die Carabinieri von ihm fernhalten.«
    »Gewiß. Ich will versuchen, dafür zu sorgen«, versprach Brunetti, obgleich er nicht eben optimistisch war, was den Erfolg seiner Bemühungen anging. »Signora«, erkundigte er sich dann, »kann Ihr Mann verstehen, was Sie sagen?«
    »Ja.«
    »Freut mich.« Brunetti wußte zwar nur sehr wenig darüber, wie das Gehirn funktioniert, aber er sah gute Chancen, daß Pedrolli, wenn er verstand, was man zu ihm sagte, mit der Zeit auch die eigene Sprache wiederfinden würde. Ob man so was irgendwie testen konnte? Was war der Mensch ohne seine Sprache?
    »... aus den Medien raushalten«, hörte er sie sagen.
    »Ich bitte um Verzeihung, Signora, aber das habe ich jetzt nicht mitbekommen. Ich war in Gedanken bei Ihrem Mann.«
    »Könnte man diese ganze Angelegenheit aus den Medien heraushalten?« wiederholte sie.
    Sie meinte wohl den Tatbestand der illegalen Adoption, den man ihnen zur Last legen würde. Brunetti dachte jedoch in erster Linie

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