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Brunetti 16 - Lasset die Kinder zu mir kommen

Brunetti 16 - Lasset die Kinder zu mir kommen

Titel: Brunetti 16 - Lasset die Kinder zu mir kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Probleme.« Der Umstand, daß er wußte, worum es sich bei diesen Untersuchungen handelte, machte Brunetti so verlegen, als hätte man ihn beim Lesen fremder Post ertappt.
    Geistesabwesend zeichnete Signora Marcolini mit der Schuhspitze einen langen Kratzer nach, den ein Essenswagen oder irgendein anderes schweres Gerät in die Bodenfliesen geritzt hatte. Ohne den Kopf zu heben, fuhr sie fort: »Wir hatten beide Probleme, andernfalls wäre es vielleicht gegangen. Aber da wir beide ...« Brunetti wartete geduldig, bis sie endlich weitersprach. »Gustavo hat die Testergebnisse gesehen. Er wollte mir nichts davon sagen, aber ich habe ihm keine Ruhe gelassen.«
    Sein Beruf hatte Brunetti zu einem Experten für Pausen gemacht: Er konnte zwischen ihnen unterscheiden, wie ein Konzertmeister die verschiedenen Streichergruppen auseinanderhält. Da war einmal die absolute, ja fast feindselige Pause, die nur durch verschärfte Fragen oder Drohungen aufzulösen ist. Dann die wohlgesetzte Pause, die der Sprecher nutzt, um die Wirkung des Gesagten auf den Zuhörer zu testen. Und endlich die erschöpfte Pause, die ein aufgewühlter Sprecher braucht, um seine Fassung wiederzuerlangen.
    Da Brunetti in diesem Fall auf die dritte Variante tippte, schwieg er in der Gewißheit, daß Signora Marcolini früher oder später von allein weiterreden würde. Während er darauf wartete, drang ein Stöhnen oder ein Schrei auf den Flur hinaus: wahrscheinlich ein Patient, der schlecht geträumt hatte. Als der Laut verklungen war, machte sich die Stille nur um so erdrückender bemerkbar.
    Nach einer Weile sah Brunetti, der bisher taktvoll jeden Blickkontakt vermieden hatte, die Signora doch an und nickte ihr zu, was als Zustimmung gelten mochte oder als Ermunterung, sich näher zu erklären. Sie nahm es offenbar für beides und setzte ihren Bericht fort. »Die Testergebnisse waren eindeutig, wir mußten uns wohl oder übel damit abfinden. Und auf ein Baby verzichten. Aber dann - das muß ein paar Monate nach unserem Termin in der Klinik gewesen sein - sprach Gustavo plötzlich von der Möglichkeit, privat ein Kind zu adoptieren.«
    Für Brunetti klang das so, als wiederhole sie eine im voraus einstudierte Erklärung. »Verstehe«, entgegnete er ausdruckslos. »Um was für eine Möglichkeit ging es da?«
    Signora Marcolini schüttelte den Kopf. »Darüber hat er nicht gesprochen«, sagte sie mit kaum hörbarer Stimme.
    Auch wenn das Brunetti nicht glaubhaft schien, ließ er sich nichts anmerken, sondern fragte bloß: »Hat er die Klinik erwähnt?«
    Auf ihren verwunderten Blick hin präzisierte Brunetti: »Die Klinik, in der Sie sich hatten testen lassen.«
    Abermaliges Kopfschütteln. »Nein, von der Klinik war nicht mehr die Rede. Gustavo hat nur durchblicken lassen, daß wir trotz allem zu einem Baby kommen könnten.«
    »Signora«, sagte Brunetti, »ich kann Sie nicht zwingen, mir über diese Dinge Auskunft zu geben.« Was fürs erste stimmte, doch irgendwann würde sehr wohl jemand die Befugnis erhalten, sie zum Reden zu bringen.
    Darüber war sich anscheinend auch Signora Marcolini im klaren, denn nun wurde sie deutlicher. »Seine Quelle hat Gustavo nicht genannt. Weil er nicht wollte, daß ich mir vorschnell Hoffnungen mache. Er hat nur gesagt, er glaube, er könne es arrangieren. Und ich nahm an, er habe berufliche oder anderweitige Beziehungen spielen lassen.« Ihr Blick schweifte nach draußen, kehrte dann wieder zu Brunetti zurück. »Wenn ich ehrlich sein soll, muß ich gestehen, daß ich es wohl gar nicht so genau wissen wollte. Gustavo versicherte mir, alles wäre legal und in regola. Er hat mir nur soviel verraten, daß er sich als der Kindsvater ausgeben müsse, obwohl das Baby in Wahrheit nicht von ihm sei.«
    In einem Verhör hätte Brunetti an dieser Stelle mit vor Argwohn triefender Stimme gefragt: »Und das haben Sie ihm geglaubt?« Statt dessen konstatierte er jetzt freundschaftlich besorgt: »Aber er hat Ihnen nicht gesagt, wie das zugehen würde, Signora?« Und nach einer Kunstpause setzte er nach: »Und Sie haben auch nicht nachgefragt?«
    Sie winkte energisch ab. »Nein, nein, ich glaube, ich wollte es gar nicht wissen. Ich wollte nur, daß es wahr wird. Und ich ein Baby bekomme.«
    Brunetti gab ihr einen Augenblick Zeit, sich von diesem Geständnis zu erholen, bevor er sie mit der nächsten Frage konfrontierte. »Hat Ihr Mann mit Ihnen über die Frau gesprochen?«
    »Welche Frau?« fragte sie, ehrlich perplex.
    »Nun, die

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