Brunetti 17 - Das Mädchen seiner Träume
Glauben an Gott bekennen würde.«
»Angeber!«, erwiderte Paola, und schon fühlte er sich besser. Auf dem Rückweg zur Questura wäre Brunetti zu gern irgendwo auf einen Cognac eingekehrt, aber er widerstand der Versuchung und war nicht wenig stolz auf so viel Selbstdisziplin. Da er ohnehin über den Campo SS. Giovanni e Paolo musste, beschloss er, bei Antonin im Pfarrhaus vorzusprechen. Im günstigsten Fall würde er ihn dort nicht antreffen und könnte ungehindert Erkundigungen über ihn einziehen.
Sein Wunsch ging tatsächlich in Erfüllung, denn als er die Haushälterin, die ihm die Tür öffnete, nach Padre Antonin fragte, hieß es, der sei außer Haus, aber wolle er vielleicht stattdessen mit demparroco sprechen? Die weißhaarige Frau kam Brunetti bekannt vor, wenn er auch nicht wusste, woher. Endlich fiel es ihm ein. »Der Blumenstand am Rialtol«, rief er.
Sie lächelte so breit, dass ihre Falten in Unordnung gerieten. »Ja. Der gehört meiner Großnichte. Dienstags und samstags, wenn die Blumenlieferungen kommen, helfe ich aus.« Sie legte ihm eine Hand auf den Arm und fuhr fort: »Wir kennen uns schon seit Jahren, nicht wahr, Signore? Und natürlich kenne ich auch Ihre Frau und die Tochter. Ein sehr hübsches Mädchen.« »Genau wie Ihre Großnichte, Signora!«
»Diesen Samstag bekommen wir wieder jede Menge Iris rein«, sagte die Frau, und es freute ihn, dass sie sich gemerkt hatte, welche Blumen er kaufte.
»Mit denen sichere ich den Familienfrieden«, antwortete er in gespielter Resignation.
»Soweit ich sehe, war das in all den Jahren kaum nötig, Signore, wenn Sie mir die Bemerkung gestatten.« Sie trat einen Schritt zurück und gab die Schwelle frei, so als sei es ausgemacht, dass er den Pfarrer sprechen wolle.
»Ich möchte denparroco aber nicht stören«, log Brunetti. »Ach, das macht ihm nichts aus, Signore. Glauben Sie mir!
Padre Stefano hat gerade zu Mittag gegessen, da hat er jetzt Zeit.« Sie schickte sich an, ihm vorauszugehen, drehte sich aber am Fuß der Treppe, die ins obere Stockwerk führte, noch einmal um und sagte mit gedämpfter Stimme: »Er freut sich, wenn er Besuch bekommt, ganz bestimmt.«
Während die Haushälterin oben haltmachte, um nach dem Treppensteigen wieder zu Atem zu kommen, bewunderte Brunetti ein Herz-Jesu-Bildnis an der Wand zu seiner Rechten. Der langhaarige Christus presste eine Hand aufs Herz und hielt die andere mit ausgestrecktem Zeigefinger hoch, so als wollte er den Kellner auf sich aufmerksam machen.
Die Schritte der Frau hallten im Korridor wider und scheuchten Brunetti aus seinen Betrachtungen auf. Plötzlich spürte er, wie kalt es in dem Flur war, kalt und klamm, als hätte der Frühling, der ansonsten so rührig Einzug hielt in der Stadt, noch keine Zeit gefunden, hier vorbeizuschauen. Jetzt verstand er auch, warum die Haushälterin zwei Pullover übereinander trug und dazu diese dicken braunen Strümpfe, die er seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen hatte.
Vor einer Tür auf der rechten Seite blieb sie stehen, klopfte ein paarmal, wartete kurz und klopfte wieder, diesmal so heftig, dass ihre Fingerknöchel, wenn nicht gar die Türfüllung Schaden zu nehmen drohten. Offenbar rührte sich drinnen etwas, denn sie drückte die Klinke, trat ein und meldete laut und vernehmlich: »Da ist Besuch für Sie, Padre Stefano.«
Brunetti hörte eine Männerstimme antworten, konnte aber den Wortlaut nicht verstehen. Die Frau erschien wieder an der Tür und winkte ihn herein. »Möchten Sie etwas trinken, Signore? Der Padre hat seinen Kaffee schon gehabt, aber ich kann gern noch einen machen.« »Das ist sehr freundlich von Ihnen, Signora«, antwortete Brunetti, »aber ich habe vorhin auf dem campo Kaffee getrunken.«
Sie schwankte unschlüssig zwischen den Erfordernissen der Gastfreundschaft und denen des Alters, weshalb Brunetti noch einmal nachlegte: »Wirklich, Signora, ich nehme Ihr Anerbieten für die Tat!«
Das schien sie zufrieden zu stellen. Sie sei dann unten, falls er doch noch einen Wunsch habe, sagte sie und verließ das Zimmer.
Brunetti machte ein paar Schritte in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. Links von den Fenstern, die auf den campo gingen, aber mit dem Rücken zu ihnen saß ein alter Mann in einem tiefen Sessel, zwischen dessen Armstützen er ebenso verloren wirkte wie die Contessa in ihrem Lehnstuhl. Flaumweiches weißes Haar umrahmte eine natürliche Tonsur, die ebenfalls fast weiß war, genau wie der Teint des Alten.
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