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Brunetti 18 - Schöner Schein

Brunetti 18 - Schöner Schein

Titel: Brunetti 18 - Schöner Schein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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ums Geschäft.« Sie hörte sich fast zu sehr wie das Kind ihres Vaters an, als sie das sagte.
    Brunetti bedankte sich für die Auskunft.
    Paola nahm die Tassen und stand auf. »Zeit, dass du deinen Besen nimmst und in den Augiasstall zurückgehst.«

7
    I m Stall war es halbwegs ruhig. Kurz nach vier kam eine Kommissarin und beschwerte sich über Tenente Scarpa, der sich weigerte, ihr irgendwelche Akten über einen zwei Jahre alten Mordfall in San Leonardo herauszugeben. »Ich verstehe einfach nicht, warum er das macht«, sagte Claudia Griffoni, die erst seit sechs Monaten in der Questura arbeitete und daher mit dem Tenente und seinen Gepflogenheiten noch nicht vertraut war.
    Sie stammte aus Neapel, doch ihr Äußeres strafte alle Klischees Lügen: groß, gertenschlank und blond, blaue Augen und eine so helle Haut, dass sie sich vor der Sonne in Acht nehmen musste. Sie hätte auf einem Werbeplakat für Kreuzfahrten in Skandinavien posieren können; würde sie tatsächlich auf einem Schiff arbeiten, wäre sie allerdings dank ihres Doktortitels in Ozeanographie für eine anspruchsvollere Position als die einer Hostess qualifiziert gewesen. Dazu hätte auch die Uniform beigetragen, die sie jetzt trug, eine von dreien, die sie sich zur Feier ihrer Beförderung zur Kommissarin hatte schneidern lassen. Sie saß ihm gegenüber, Haltung sehr aufrecht, die langen Beine übereinandergeschlagen. Er begutachtete den Schnitt ihrer Jacke, kurz und eng anliegend, die Revers abgesteppt. Die Hosen liefen nach unten schmal zu.
    »Macht er das, weil man ihm den Fall nicht gegeben hat und er uns alle ausbremsen will, womit es nur noch schwieriger wird, den Täter zu finden?«, fragte Griffoni. »Oder gibt es irgendetwas Persönliches zwischen ihm und mir, wovon ich nichts weiß? Oder hat er einfach was gegen Frauen? Oder gegen weibliche Polizisten?«
    »Oder gegen weibliche Polizisten, die einen höheren Rang bekleiden als er?«, ergänzte Brunetti die Liste, neugierig auf ihre Reaktion, aber völlig überzeugt, dass genau dies der Grund für Scarpas ständige Versuche war, ihre Autorität zu untergraben.
    »Ach du lieber Gott«, rief sie und warf den Kopf zurück, als wolle sie die Zimmerdecke ansprechen. »Es reicht nicht, dass ich mir so was von Mördern und Vergewaltigern anhören muss. Jetzt kommen mir auch noch die Leute so, mit denen ich arbeite.«
    »Das geschieht Ihnen gewiss nicht zum ersten Mal«, sagte Brunetti. Er fragte sich, was Signorina Elettra zu der maßgeschneiderten Uniform sagen würde.
    Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder ihm zu: »Wir alle können ein Lied davon singen.«
    »Und was tun Sie dann in so einem Fall?«, fragte Brunetti.
    »Manche von uns versuchen sich mit Charme aus der Affäre zu ziehen. Das haben Sie bestimmt auch schon miterlebt. Man bittet seine Leute mitzukommen, um einen häuslichen Streit zu schlichten, und sie führen sich auf, als hätte man sie zu einem Rendezvous bestellt.«
    Brunetti hatte so etwas tatsächlich schon erlebt.
    »Oder aber wir werden noch härter als die Männer.«
    Brunetti nickte anerkennend. Als ihr keine dritte Möglichkeit einzufallen schien, fragte er: »Oder?«
    »Oder wir lassen uns davon nicht verrückt machen und tun einfach unsere Arbeit.«
    »Und wenn das alles nicht funktioniert?«, fragte er.
    »Dann kann man die Mistkerle nur noch erschießen.«
    Brunetti lachte laut auf. Seit er sie kannte, hatte er noch nie versucht, ihr zu raten, wie sie mit Scarpa zurechtkommen könnte. Derartige Ratschläge würde er niemals geben. Im Lauf der Jahre hatte er gelernt, dass die meisten beruflichen oder gesellschaftlichen Situationen viel Ähnlichkeit mit Wasser auf unebenem Untergrund hatten: Früher oder später glättete sich alles. Im Allgemeinen akzeptierten die Leute mit der Zeit, wer Alpha und wer Beta war. Manchmal half ein höherer Rang dabei nach, aber nicht immer. Letztlich hatte er wenig Zweifel, dass die Kommissarin Tenente Scarpa irgendwann in den Griff bekommen würde, aber genauso sicher war er sich auch, dass der Tenente einen Weg finden würde, ihr das heimzuzahlen.
    »Er ist schon so lange hier wie der ViceQuestore, richtig?«, fragte sie.
    »Ja. Die beiden sind zusammen hergekommen.« »Ich sollte das vielleicht nicht sagen, aber Sizilianern habe ich noch nie getraut«, sagte sie. Claudia Griffoni war wie viele Neapolitaner aus besseren Kreisen mit reinem Italienisch aufgewachsen, ohne Dialekt, hatte aber manches von Schulfreunden aufgeschnappt und

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