Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brunetti 18 - Schöner Schein

Brunetti 18 - Schöner Schein

Titel: Brunetti 18 - Schöner Schein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
Vom Netzwerk:
Verbrechen so große Aufmerksamkeit? »Eines jeden Menschen Tod«, so hieß es in den Gedichten, von denen Paola ständig sprach. Das war wohl wahr, zumindest im poetischen, abstrakten Sinn, und doch kümmerte der Tod eines Einzelnen, so sehr er uns allen etwas nehmen mochte, die Welt nicht weiter, und auch nicht die Behörden, es sei denn, er stand in Zusammenhang mit einer größeren Geschichte und die Presse fiel darüber her. Brunetti hatte die aktuelle Statistik nicht zur Hand - so etwas überließ er Patta -, aber er wusste, dass weniger als die Hälfte aller Morde jemals aufgeklärt wurden, und je länger ein Mord unaufgeklärt blieb, desto geringer war die Chance, dass sich daran etwas änderte.
    Die Tat war vor einem Monat geschehen, und erst jetzt folgte Guarino dem Hinweis auf diesen Mann, der in der Nähe von San Marcuola wohnte. Brunetti legte den Kugelschreiber hin und dachte nach. Entweder war es ihnen gleichgültig, oder jemand hatte...
    Das Telefon klingelte, er nahm ab und sagte »Si«, statt wie sonst seinen Namen zu nennen.
    »Guido«, sagte Guarino munter. »Freut mich, Sie noch zu erwischen. Man hat mir gesagt, Sie wollten mich sprechen.«
    Guarino rechnete offenbar mit der Möglichkeit, dass ihr Gespräch von irgendwem abgehört wurde, aber sein aufgekratzter Ton ließ Brunetti sorglos werden. »Wir müssen noch einmal über diese Sache reden«, sagte er. »Sie haben mir nicht erzählt, dass -«
    »Hören Sie, Guido«, unterbrach Guarino ihn hastig, aber unvermindert munter, »ich habe gleich noch einen Termin, aber das dauert nur wenige Minuten. Wie war's, wenn wir uns in Ihrer Stammbar treffen?«
    »Meinen Sie die -«, fing Brunetti an, wurde aber von Guarino unterbrochen. »Ganz genau die. Wir treffen uns dort in ungefähr fünfzehn Minuten.« Dann legte er auf.
    Was machte Guarino in Venedig, und woher wusste er von der Bar an der Brücke? Brunetti wollte nicht schon wieder dorthin, er wollte nicht noch einen Kaffee, er wollte kein Sandwich oder noch ein Glas kaltes Wasser, nicht einmal ein Glas Wein. Aber dann fiel ihm ein, dass er einen heißen Punsch trinken könnte; er nahm seinen Mantel aus dem armadio und ging.
    Sergio schob ihm gerade den heißen Punsch über den Tresen, als das Telefon im Hinterzimmer der Bar klingelte. Sergio entschuldigte sich, murmelte etwas von seiner Frau und glitt durch die Tür nach hinten. Unmittelbar darauf kam er, wie Brunetti fast schon erwartet hatte, wieder zurück und sagte: »Es ist für Sie, Commissario.«
    Gewohnheitsmäßig setzte Brunetti sein freundlichstes Lächeln auf und sagte wie ein geborener Schauspieler: »Ich hoffe, das stört Sie nicht, Sergio. Ich habe einen Anruf erwartet, aber ich brauchte etwas Warmes, und deshalb habe ich gebeten, mich hier anzurufen.« »Kein Problem, Commissario. Jederzeit«, sagte der Barmann und zog sich weiter hinter den Tresen zurück, um Brunetti an sich vorbei in das kleine Hinterzimmer zu lassen.
    Der Hörer lag neben dem klobigen alten Telefon, einem altmodischen grauen Ding mit runder Wählscheibe. Er nahm den Hörer auf und widerstand dem Drang, seinen Finger in das Loch zu stecken und die Scheibe zu drehen.
    »Guido?«
    »Ja.«
    »Entschuldigen Sie das Theater. Was gibt's?«
    »Ihr geheimnisvoller Mann, der Gutgekleidete, der Mann, der gesagt hat, er werde sich an dem von Ihnen erwähnten Ort mit jemandem treffen.«
    »Ja?«
    »Wie kommt es, dass Sie mir nichts anderes von ihm gesagt haben, als dass er gut gekleidet war?« »Weil man mir das so gesagt hat.«
    »Wie viele Monate lang haben Sie mit dem Ermordeten Kontakt gehabt?« »... sehr lange.«
    »Und er hatte Ihnen nichts anderes mitzuteilen, als dass der andere gut gekleidet war?« »Ja.«
    »Und Sie haben niemals um eine genauere Beschreibung gebeten?«
    »Ich hielt das nicht für -«
    »Wenn Sie diesen Satz beenden, lege ich auf.«
    »Wie bitte?«
    »Ich denke, ich sollte Sie warnen. Wenn Sie das sagen, lege ich auf.«
    »Warum?«
    »Weil ich mich nicht gern belügen lasse.« »Ich -«
    »Wenn Sie diesen Satz beenden, lege ich ebenfalls auf.« »Im Ernst?«
    »Noch mal von vorn. Was hat er Ihnen sonst noch von dem Mann erzählt, mit dem er gesprochen hat?«
    »Hat jemand bei Ihnen zu Hause eine private E-Mail-Adresse?«
    »Meine Kinder. Warum?«
    »Ich möchte Ihnen ein Foto schicken.«
    »Lassen Sie meine Kinder aus dem Spiel.«
    »Vielleicht Ihre Frau?«
    »Also gut. In der Uni.«
    »Paola, Punkt, Falier, at Ca'Foscari in einem Wort, Punkt,

Weitere Kostenlose Bücher