Brunetti 18 - Schöner Schein
richtig?«
»Richtig. Woher haben Sie die Adresse?«
»Ich schick's morgen früh.«
»Weiß sonst noch jemand von diesem Foto?« »Nein.«
»Hat das alles einen bestimmten Grund?« »Dazu möchte ich mich lieber nicht äußern.« »Ist das Ihre einzige Spur?«
»Nein, nicht die einzige. Aber wir haben sie noch nicht überprüfen können.« »Und die anderen?« »Alles Fehlanzeige.«
»Wie kann ich Sie erreichen, falls ich etwas herausfinde?«
»Sie wollen das also machen?« »Ja.«
»Ich habe Ihnen meine Nummer gegeben.«
»Da hat man mir gesagt, Sie seien nicht da.«
»Ich bin nicht leicht zu erreichen.«
»Über die Mail-Adresse, die Sie morgen benutzen?«
»Nein.« »Wie denn?«
»Ich kann Sie immer dort anrufen.«
»Ja, das können Sie; aber ich kann mein Büro nicht hierher verlegen, nur um auf Ihren Anruf zu warten. Wie kann ich Sie erreichen?«
»Rufen Sie die besagte Nummer an und hinterlassen eine Nachricht. Sagen Sie, Sie heißen Pollini, und geben Sie eine Zeit an, wann Sie zurückrufen. Dann werde ich Sie unter dieser Nummer anrufen.«
»Pollini?«
»Ja. Aber benutzen Sie ein öffentliches Telefon.« »Wenn wir das nächste Mal miteinander reden, müssen Sie mir erklären, was los ist. Was wirklich los ist.« »Aber ich habe -«
»Filippo, muss ich Ihnen schon wieder drohen, dass ich gleich auflege?«
»Nein. Müssen Sie nicht. Ich werde darüber nachdenken.« »Denken Sie jetzt darüber nach.« »Gut, wenn ich kann, werde ich es Ihnen sagen.« »Das kommt mir bekannt vor.«
»Mir gefällt das auch nicht, glauben Sie mir. Aber so ist es für alle Beteiligten besser.« »Auch für mich?«
»Ja, auch für Sie. Ich muss gehen. Danke.«
10
W ährend er den Hörer auflegte, beobachtete Brunetti seine Hand, ob sie zitterte. Nein, fest wie ein Stein. Überhaupt machte Guarinos Geheimnistuerei ihm keine Angst, sie ärgerte ihn nur. Was käme als Nächstes? Würden sie Nachrichten auf Zettel schreiben und sich die als Flaschenpost auf dem Canal Grande zuschicken? Guarino hatte doch einen recht vernünftigen Eindruck gemacht und Brunettis skeptische Anmerkungen anstandslos hingenommen - warum also wollte er unbedingt James Bond spielen?
Er ging zur Tür und fragte Sergio: »Darf ich mal telefonieren?«
»Commissario«, sagte Sergio und breitete die Hände aus, »telefonieren Sie, so viel Sie wollen.« Mit seinem dunklen Teint und seinem gedrungenen Körperbau erinnerte er Brunetti immer an den Bären, der der Held eines der ersten Bücher gewesen war, die er jemals gelesen hatte. Der Bär hatte die Angewohnheit, sich mit Honig vollzustopfen. Sergios beträchtlicher Bauch trug ebenfalls zu der Ähnlichkeit bei. Wie dieser Bär war Sergio freundlich und großzügig und ließ nur selten einmal ein Brummen hören.
Brunetti wählte die ersten fünf Ziffern seiner Privatnummer, legte dann aber wieder auf. Er trat aus dem Hinterzimmer und ging zu seinem Platz am Tresen zurück. Sein Glas war weg.
»Hat jemand meinen Punsch getrunken?«, fragte er.
»Nein, Commissario. Er war nur schon kalt geworden.«
»Machen Sie mir noch einen?«
»Mit Vergnügen«, sagte der Barmann und griff nach der Flasche.
Zehn Minuten später ging Brunetti gut durchwärmt in sein Büro zurück. Von dort rief er bei sich zu Hause an.
»Si«, sagte Paola. Seit wann meldet sie sich nicht mehr mit ihrem Namen, fragte er sich.
»Ich bin's. Gehst du morgen in dein Büro?«
»Ja.«
»Kannst du an deinem Computer dort ein Foto ausdrucken?«
»Ja, sicher.« Er vernahm ein kaum unterdrücktes Stöhnen.
»Gut. Du erhältst es per Mail. Könntest du mir einen Ausdruck machen? Eventuell eine Vergrößerung?«
»Guido, ich kann meine E-Mails auch von hier aus abrufen«, sagte sie betont geduldig, wie immer, wenn sie etwas Selbstverständliches wiederholte.
»Ich weiß«, sagte er, obwohl er gar nicht daran gedacht hatte. »Aber ich möchte das lieber nicht... «
»Im Haus haben?«, schlug sie vor. »Ja.«
»Vielen Dank«, sagte sie lachend. »Ich will nicht näher auf deinen Kenntnisstand in Sachen Technik eingehen, Guido, aber danke, dass du wenigstens daran gedacht hast.«
»Ich will nicht, dass die Kinder -«, fing er an.
»Du brauchst das nicht zu erklären«, unterbrach sie ihn. Noch freundlicher fügte sie hinzu: »Bis nachher«, und legte auf.
Er hörte ein Geräusch an seiner Tür. Zu seiner Überraschung trat Sergente Alvise ein. »Haben Sie kurz Zeit, Commissario?«, fragte er lächelnd, wurde ernst und
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