Brunetti 18 - Schöner Schein
Signorina.« Als sie dies mit einem abfälligen Lächeln bedachte, fuhr er fort: »Und hier in der Stadt?«
Sie schlug eine Seite um. »Er besitzt vier Geschäfte in der Calle dei Fabbri und zwei Häuser an der Strada Nuova. Die sind an zwei Restaurants vermietet, darüber gibt es insgesamt vier Wohnungen.«
»Und alles ist vermietet?«
»Oh ja. Eins der Geschäfte hat vor einem Jahr den Inhaber gewechselt; angeblich musste der neue eine buonuscita von einer Viertelmillion Euro zahlen.«
»Nur um die Schlüssel zu bekommen?«
»Richtig. Und die Miete ist zehntausend.«
»Im Monat?«, fragte Brunetti.
»Es ist in der Calle dei Fabbri, Signore, und geht über zwei Etagen«, sagte sie, und in ihrer Stimme schwang Befremden darüber mit, dass er an dem Preis - oder ihrer Sorgfalt - zu zweifeln wagte. Sie klappte die Mappe zu und lehnte sich zurück.
Wenn er ihre Miene richtig deutete, hatte sie ihm noch etwas anderes mitzuteilen; also fragte er: »Und?«
»Es gibt Gerede, Signore.«
»Gerede?«
»Über sie.«
»Seine Frau?«
»Ja.«
»Was für Gerede?«
Sie schlug die Beine übereinander. »Vielleicht habe ich übertrieben, und es handelt sich eher um gewisse Andeutungen oder um das Verstummen, wenn ihr Name genannt wird.«
»Ich wage zu behaupten, das trifft auf viele Leute in dieser Stadt zu.« Brunetti bemühte sich, nicht herablassend zu klingen.
»Da haben Sie sicher recht«, sagte sie.
Er fand, er brauche mehr als bloße Gerüchte, also zog er die Akte zu sich heran, nahm sie in die Hand und fragte: »Hatten Sie hinreichend Zeit, sich ein ungefähres Bild von seinem Vermögen zu machen?«
Statt zu antworten, lehnte sie sich in ihrem Stuhl zurück und sah ihm prüfend ins Gesicht, als habe er ihr soeben ein interessantes Rätsel aufgegeben.
»Nun, Signorina?«, sagte Brunetti. Und als sie nicht antwortete: »Was ist denn?«
»Der Ausdruck, Signore.«
»Welcher Ausdruck?«
»›Vermögen‹.«
Konsterniert brachte Brunetti nur heraus: »Ich meine die Summe seiner verschiedenen Vermögenswerte.«
»Ja, auf die Finanzen bezogen, könnte man das so nennen.«
»Kann man es auch auf etwas anderes beziehen?«, fragte Brunetti aufrichtig verwirrt.
»Nun ja, ich denke an sein ›Vermögen‹ als Mann, als Ehemann, als Arbeitgeber, als Freund.« Brunetti zog ein Gesicht, und sie sagte: »Ja, ich weiß, das haben Sie nicht gemeint, aber es ist doch interessant, dass wir alle diesen Ausdruck nur auf den finanziellen Reichtum eines Menschen beziehen.« Sie gab Brunetti die Chance, das zu kommentieren oder in Frage zu stellen, und als er dies nicht tat, fügte sie hinzu: »Damit reduzieren wir uns doch, als ob alles, was wir wert sind, sich in Geldbeträgen ausdrücken ließe.«
Bei einer nicht so phantasievollen Person wie Signorina Elettra hätte man diese philosophische Betrachtung als umständliches Eingeständnis deuten können, ihre Nachforschungen zu Cataldos Vermögen seien fehlgeschlagen. Brunetti jedoch, wohlvertraut mit ihren gedanklichen Höhenflügen, sagte nur: »Meine Frau hat von einem Mann gesprochen, der den Kapitalismus im Blut habe. Vielleicht haben wir das alle.« Er legte die Mappe hin und schob sie von sich weg.
»Ja«, stimmte sie ein wenig widerstrebend zu, »das haben wir alle.«
»Was haben Sie sonst noch erfahren?«, kam Brunetti wieder zur Sache.
»Dass er sich nach über dreißig Jahren Ehe von Giulia Vasari hat scheiden lassen.«
Brunetti wartete ab, was sie ihm sonst noch von Cataldos Privatleben zu berichten hatte; es schien ihm unangemessen, allzu großes Interesse an Franca Marinello zu bekunden oder sich anmerken zu lassen, dass er selbst schon einiges über sie in Erfahrung gebracht hatte.
»Sie ist viel jünger als er, aber das wissen Sie ja; über dreißig Jahre. Angeblich haben sie sich kennengelernt, als er mit seiner Frau eine Modenschau besuchte, wo Franca Marinello Pelze vorführte.« Sie sah ihn an, aber Brunetti schwieg weiter.
»Wie dem auch sei. Sie hat ihn um den Verstand gebracht«, fuhr sie fort. »Einen Monat später hat er seine Frau verlassen und eine eigene Wohnung bezogen.« Sie unterbrach sich und erklärte: »Mein Vater kannte ihn, und das hat er mir erzählt.«
»Kannte oder kennt?«, fragte Brunetti.
»Kennt ihn, glaube ich. Aber richtige Freunde sind sie nicht; man kennt sich halt.«
»Was hat Ihr Vater noch erzählt?«
»Dass die Scheidung nicht erfreulich war.«
»Das ist die Regel.«
Sie nickte zustimmend. »Er hat gehört,
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