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Brunetti 18 - Schöner Schein

Brunetti 18 - Schöner Schein

Titel: Brunetti 18 - Schöner Schein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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lächelte wieder. Klein und schmächtig, war Alvise die am wenigsten einnehmende Erscheinung im Kommissariat, und mit seinem Intellekt war es auch nicht besser bestellt. Freundlich und umgänglich, war Alvise fast immer zu einem netten Plausch aufgelegt. Paola hatte ihn nur ein einziges Mal gesehen und hinterher bemerkt, er erinnere sie an jemanden, von dem ein englischer Dichter einmal gesagt habe: »Ew'ges Lächeln verrät sein leeres Herz.«
    »Selbstverständlich, Alvise. Treten Sie ein. Bitte.« Alvise war erst kürzlich wieder zur Mannschaft gestoßen, nachdem er ein halbes Jahr lang zusammen mit Tenente Scarpa in einer von der Europäischen Union gesponserten Ermittlergruppe mitgearbeitet hatte, über deren Auftrag nie etwas Genaues durchgesickert war.
    »Ich bin wieder da, Signore«, sagte Alvise und setzte sich.
    »Ja«, sagte Brunetti, »ich weiß.« Funkelnde Geistesblitze und präzise Ausführungen waren nicht das, was man mit dem Namen Alvise verband; ob seine Bemerkung sich auf seine Rückkehr von dem Spezialauftrag bezog oder darauf, dass er von der Bar an der Ecke zurückgekommen war, blieb offen.
    Alvise blickte im Zimmer umher, als sehe er es zum ersten Mal. Brunetti fragte sich, ob Alvise es womöglich für nötig hielt, sich bei seinem Vorgesetzten in Erinnerung zu rufen. Das Schweigen zog sich hin, doch Brunetti beschloss, so lange zu warten, bis Alvise von selbst mit seinem Anliegen herausrückte. Der Sergente sah nach der offenen Tür, dann nach Brunetti, dann wieder nach der Tür. Schließlich beugte er sich vor und fragte: »Haben Sie etwas dagegen, wenn ich die Tür zumache, Commissario?«
    »Tun Sie das nur, Alvise«, sagte Brunetti und fragte sich, ob Alvise, nachdem er ein halbes Jahr lang mit dem Tenente in einem winzigen Büro verbracht hatte, empfindlich gegen Durchzug geworden war.
    Alvise ging zur Tür, steckte den Kopf hindurch und spähte nach links und rechts, machte die Tür lautlos zu und setzte sich wieder auf seinen Stuhl. Wieder herrschte Schweigen, und wieder blieb Brunetti stumm.
    Schließlich sagte Alvise: »Wie gesagt, Signore, ich bin wieder da.«
    »Und wie auch ich bereits sagte, Alvise, ich weiß.«
    Alvise starrte ihn an, als werde ihm plötzlich bewusst, dass es an ihm sei, den Kreislauf des Schweigens zu durchbrechen. Er sah nach der Tür, drehte sich wieder zu Brunetti um und sagte: »Aber das scheint niemand zu merken.«
    Da Brunetti nicht darauf reagierte, war der Sergente gezwungen, seine Rede fortzusetzen. »Die Kollegen, Signore, es kommt mir vor, als seien sie nicht froh, dass ich wieder da bin.« Sein faltenloses Gesicht drückte Ratlosigkeit aus.
    »Warum sagen Sie das, Alvise?«
    »Na ja, niemand hat was gesagt. Dazu, dass ich wieder da bin.« Es gelang ihm, Schmerz und Bestürzung zugleich auszudrücken.
    »Was hätten sie denn sagen sollen, Alvise?«
    Alvise versuchte zu lächeln, bekam es aber nicht hin. »Na ja, Signore, so etwas wie ›Willkommen zu Hause‹ oder ›Schön, dass du wieder da bist‹. Oder so.«
    Was glaubte Alvise eigentlich, wo er gewesen war? In Patagonien? »Es ist ja nicht so, als seien Sie weg gewesen, Alvise. Das sollten Sie bedenken.«
    »Ich weiß, Commissario. Aber ich war nicht Teil des Teams. Ich war kein normaler Polizist.«
    »Vorübergehend.«
    »Ja, ich weiß, nur vorübergehend. Aber es war schon so eine Art Beförderung, oder?«
    Brunetti faltete die Hände und presste die Zähne an die Fingerknöchel. Als er sich wieder gefangen hatte, legte er den Kopf zurück und sagte: »Ich nehme an, das könnte man so sehen, Alvise. Aber wie Sie selbst sagen, Sie sind jetzt wieder da.«
    »Richtig. Aber es wäre gut, wenn die Leute mal hallo sagen oder sich freuen würden, dass ich wieder da bin.«
    »Vielleicht warten sie erst einmal ab, wie leicht es Ihnen fällt, sich wieder auf den Arbeitsrhythmus des Teams einzustellen«, meinte Brunetti, hatte aber selbst keine Ahnung, was das heißen sollte.
    »Das habe ich mir auch gedacht, Signore«, sagte Alvise und lächelte.
    »Gut. Dann wäre das erledigt«, sagte Brunetti hastig und etwas zu schroff. »Lassen Sie ihnen ein wenig Zeit, sich wieder an Sie zu gewöhnen. Wahrscheinlich sind sie gespannt, ob Sie neue Ideen mitgebracht haben.« Ach, was ist dem Theater verlorengegangen, als ich mich für die Polizei entschieden habe, dachte Brunetti.
    Alvises Lächeln wurde noch breiter, und zum ersten Mal seit seinem Eintreten wirkte es echt. »Oh, das würde ich den Leuten niemals

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