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Brunetti 18 - Schöner Schein

Brunetti 18 - Schöner Schein

Titel: Brunetti 18 - Schöner Schein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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hält. Oder einen Mittäter.«
    »Und was denkst du?«
    »Ich weiß zu wenig, um überhaupt etwas zu denken. Ich weiß nur, dass dieser Unbekannte Ranzato mit illegalen Transporten beauftragt hat, dass er gut gekleidet ist und sich an der Haltestelle San Marcuola mit jemandem traf.«
    »Hast du nicht gesagt, er lebt dort in der Gegend?« »Na ja, nicht direkt.«
    Es war großes Theater, wie Paola jetzt zum Zeichen, dass sie mit ihrer Geduld am Ende war, die Augen schloss und sagte: »Ich weiß nie, ob das ja oder nein heißen soll.«
    Brunetti lächelte. »In diesem Fall heißt es: Das war meine Vermutung.«
    »Warum?«
    »Weil er gesagt hat, er wolle sich dort am Abend mit jemandem treffen, und genau das tun wir, wenn Leute von auswärts herkommen: Wir treffen uns mit ihnen am imbarcadero unseres Viertels.«
    »Jawohl«, sagte Paola und fügte hinzu: »Professor.«
    »Keine Albernheiten, Paola. Das ist doch offensichtlich.«
    Sie nahm sein Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger ihrer rechten Hand und drehte sein Gesicht sanft zu sich herum. »Es ist auch offensichtlich, dass die Einschätzung, jemand sei gut gekleidet, alles Mögliche bedeuten kann.«
    »Was?«, fragte Brunetti; seine Hand erstarrte auf halbem Weg zu der Grappaflasche. »Ich kann dir nicht folgen. Im Übrigen hat er auch gesagt, der Mann sei protzig gekleidet gewesen, was auch immer das heißen mag.«
    Paola studierte sein Gesicht wie das eines Fremden. »Was wir für ›protzig‹ oder ›gut gekleidet‹ halten, hängt davon ab, wie wir selbst uns kleiden. Findest du nicht?«
    »Ich verstehe immer noch nicht«, sagte Brunetti und nahm die Flasche.
    Paola winkte ab, als er ihr nachschenken wollte, und sagte: »Erinnerst du dich an diesen Fall - muss zehn Jahre her sein -, als du eine Woche lang jeden Abend nach Favaro rausmusstest, um einen Zeugen zu befragen?«
    Er dachte nach, ja, er erinnerte sich an den Fall, die endlosen Lügen, die Pleite am Ende. »Ja.«
    »Weißt du noch, wie die Carabinieri dich immer zurückgebracht und am Piazzale Roma abgesetzt haben und du mit der Nummer eins nach Hause gefahren bist?«
    »Ja«, antwortete er und fragte sich, worauf sie hinauswollte. Meinte sie, dass auch in diesem Fall eine Pleite drohte, so wie er selbst es allmählich auch befürchtete?
    »Du hast mir von Leuten erzählt, die du jeden Abend auf dem Vaporetto gesehen hast. Erinnerst du dich? Zwielichtige Gestalten in Begleitung billiger Blondinen? Männer in Lederjacken und Frauen in Lederminiröcken?«
    »Oh mein Gott«, sagte Brunetti und schlug sich so heftig an die Stirn, dass es ihn tiefer neben sie aufs Sofa drückte. »Wer Augen hat, zu sehen, und doch nicht sieht«, sagte er.
    »Bitte, Guido, fang du jetzt nicht an, die Bibel zu zitieren.«
    »Entschuldige. Der Schock war zu groß für mich«, sagte er mit breitem Grinsen. »Du bist ein Genie. Aber das weiß ich ja seit Jahren. Natürlich, natürlich. Das Casinó. Sie treffen sich bei San Marcuola und gehen zusammen dorthin, oder? Natürlich. Genial, genial.«
    Paola hob in offenkundig geheuchelter Bescheidenheit die Hand. »Guido, das ist nur eine Möglichkeit.«
    »Ja, es ist nur eine Möglichkeit«, stimmte Brunetti zu. »Aber eine realistische, die mir immerhin erlaubt, etwas zu tun.«
    »Etwas zu tun?«
    »Ja.«
    »Zum Beispiel, dass wir ins Casinó gehen?«
    »Wir?«
    »Wir.« »Warum wir?«
    Sie hielt ihm ihr Glas hin, und er schenkte ihr Grappa nach. Sie nahm einen Schluck, nickte nicht weniger anerkennend als er vorhin und sagte: »Weil nichts so großes Aufsehen erregt wie ein Mann, der allein das Casinó besucht.«
    Brunetti wollte widersprechen, aber sie hob ihr Glas und schnitt ihm das Wort ab: »Einer allein kann nicht einfach da herumgehen und die Leute an den Tischen anstarren, ohne selbst zu spielen. Auffälliger geht's ja wohl nicht. Und wenn er spielt - was wird er machen: unsere Wohnung verspielen?« Als seine Miene sich aufhellte, fragte sie: »Außerdem kann man wohl kaum erwarten, dass Signorina Elettra das als Ausgaben für Büroausstattung verbucht?«
    »Eher nicht«, gab Brunetti zu; klarer konnte kein Mann seine Niederlage eingestehen.
    »Im Ernst, Guido«, sagte sie und stellte ihr Glas auf den Tisch. »Du musst dort einen ungezwungenen Eindruck machen, und wenn du allein hingehst, wirst du aussehen wie ein Polizist auf der Pirsch oder jedenfalls wie ein Mann auf der Pirsch. Wenn du mich mitnimmst, können wir wenigstens reden und lachen und den Anschein erwecken,

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