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Brunetti 18 - Schöner Schein

Brunetti 18 - Schöner Schein

Titel: Brunetti 18 - Schöner Schein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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habe seine Pistole in meiner Handtasche und werde Sie erschießen, wenn Sie mich nicht in Ruhe lassen.«
    »Oh«, sagte Brunetti und rückte von ihr weg. Am anderen Ende der Bank angekommen, schlug er die Beine übereinander und betrachtete das Poster der Rialto-Brücke an der Wand gegenüber. Paola blätterte um und war schon wieder in London.
    Er rutschte tiefer und lehnte den Kopf an die Wand. Ob Guarino ihn absichtlich auf die falsche Idee gebracht hatte, dass der Mann hier in der Nähe wohnte? Vielleicht fürchtete Guarino, durch Brunettis Mitwirkung könnte den Carabinieri die Kontrolle über den Fall entgleiten. Vielleicht war er nicht sicher, auf wessen Seite Brunetti war. Und wer konnte ihm das zum Vorwurf machen? Brunetti brauchte nur an Tenente Scarpa zu denken, um sich daran zu erinnern, dass man nur mit wohldosiertem Vertrauen einigermaßen auf der sicheren Seite war. Und dann noch Alvise, der sechs Monate lang mit Scarpa zusammengearbeitet und dabei gelernt hatte, bei ihm Gnade zu finden. Von nun an war auch Alvise nicht mehr zu trauen, nicht nur wegen seiner angeborenen Dummheit, sondern auch, weil die Freundlichkeit des Tenente ihm den tumben kleinen Kopf verdreht hatte und er jetzt garantiert mit allem, was er hörte, zu ihm rennen würde.
    Er spürte eine Hand auf seiner Schulter; und da er dachte, es sei Paola, die von Henry James zu ihm zurückgekehrt sei, legte er seine Rechte darauf und drückte sie leicht. Die Hand wurde grob unter seiner weggezogen, und als er die Augen aufschlug, erblickte er Vascos schockiertes Gesicht.
    »Ich dachte, Sie sind meine Frau«, war alles, was Brunetti dazu einfiel. Er drehte sich zu Paola um: Sie beobachtete die beiden Männer, fand sie aber offenbar nicht so interessant wie ihre Lektüre.
    »Wir haben miteinander gesprochen, bevor er eingeschlafen ist«, erzählte sie Vasco, der das blinzelnd verarbeitete und sich dann lächelnd vorbeugte, um Brunetti auf die Schulter zu klopfen.
    »Sie glauben gar nicht, was ich hier alles schon erlebt habe«, sagte er. Er hielt ein paar Bögen hoch: »Das sind Kopien der Pässe.« Dann trat er ins Büro des Direktors.
    Brunetti stand auf und folgte ihm.
    Zwei Blatt Papier lagen auf dem Schreibtisch, die Gesichter auf den Passbildern sahen zu ihm hoch. Eins zeigte den Mann auf dem Foto, das andere einen Jüngeren, dem die Haare bis auf den Kragen fielen, so dass vom Hals kaum etwas zu sehen war. »Die beiden sind zusammen hier gewesen.«
    Brunetti nahm die erste Kopie: »Antonio Terrasini«, las er, »geboren in Plati.« Er sah Vasco an. »Wo ist das?«
    »Ich dachte mir, dass Sie das interessieren könnte«, antwortete er lächelnd. »Ich habe die Mädchen nachschauen lassen. Aspromonte, oberhalb des Nationalparks.«
    »Was tut ein Kalabrier hier?«
    »Ich bin aus Apulien«, sagte Vasco ruhig. »Dieselbe Frage könnten Sie auch mir stellen.«
    »Entschuldigung«, sagte Brunetti, legte die erste Kopie hin und nahm die zweite. »Giuseppe Strega«, las er. »Im selben Ort geboren, nur acht Jahre später.«
    »Das ist mir auch aufgefallen«, sagte Vasco. »Die Mädchen am Empfang teilen Ihre Neugier auf den ersten, aber wohl aus anderen Gründen. Sie finden, er sieht gut aus. Das heißt, beide eigentlich.« Vasco nahm die Kopien und studierte die Gesichter: Terrasini mit den schrägen Augenbrauen über mandelförmigen Augen, der andere mit schwungvoller Poetenfrisur. »Ich selbst finde das nicht«, sagte Vasco und warf die Kopien auf den Schreibtisch.
    Brunetti sah das genauso. »Frauen sind schon seltsame Wesen.« Dann fragte er: »Warum nennen Sie ihn einen Schweinehund?«
    »Weil er ein schlechter Verlierer ist«, antwortete Vasco. »Niemand verliert gern. Aber vielen von ihnen ist es letztlich nicht so wichtig, auch wenn sie es sich nicht eingestehen wollen.« Er sah Brunetti an, um festzustellen, ob der ihm folgen konnte, und als jener nickte, fuhr er fort:
    »An einem Abend hat er knapp fünfzigtausend Euro verloren. Den genauen Betrag weiß ich nicht, aber einer meiner Leute rief mich an und berichtete, an einem der Blackjack-Tische mache jemand schwere Verluste, und er fürchte, es werde Ärger geben. Leute, die sich für clever halten, glauben immer daran, dass sie noch gewinnen können: mit irgendeinem System, indem sie die Karten mitzählen oder so was. Die sind alle verrückt: Der Gewinner sind immer wir.« Doch als er Brunettis Miene sah, entschuldigte er sich: »Das tut nichts zur Sache, oder? Jedenfalls, als ich

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