Brunetti 18 - Schöner Schein
dort hinkam, habe ich ihn sofort entdeckt: Der Mann war wie eine tickende Bombe. Strahlte eine Hitze aus wie ein Hochofen.
Er hatte nicht mehr viele Jetons vor sich liegen, also beschloss ich, in der Nähe zu bleiben, damit ich zur Stelle wäre, wenn er alles verloren hatte. Das ging schnell, zwei Spiele noch, und kaum hatte der Croupier die Jetons eingezogen, fing er an herumzubrüllen, die Karten seien gezinkt, er habe gesehen, dass der Croupier immer dieselben benutze.«
Vasco hob die Schultern, ob aufgebracht oder resigniert, war schwer zu deuten. »Kommt nicht oft vor, aber wenn, sagen sie immer dasselbe. Und stoßen dieselben Drohungen aus.«
»Was haben Sie unternommen?«
»Giulio - der Kollege, der mich gerufen hatte - war inzwischen auch da, wir gingen von zwei Seiten auf ihn zu und... na ja, wir halfen ihm vom Tisch und zur Treppe. Und nach unten. Unterwegs beruhigte er sich ein wenig, aber wir fanden immer noch, wir sollten ihn rausschmeißen.«
»Und haben Sie es getan?«
»Ja. Wir warteten, während er seinen Mantel holte, und brachten - begleiteten - ihn zum Ausgang.«
»Hat er was gesagt? Hat er Ihnen gedroht?«
»Nein, aber Sie hätten ihn mal anfassen sollen«, fing Vasco an und verbesserte sich dann, als erinnere er sich, wie Brunetti seine Hand berührt hatte: »Ich meine, Sie hätten ihn mal sehen sollen. Als ob er unter Hochspannung stand. Jedenfalls brachten wir ihn zur Tür, sagten Signore zu ihm, überaus höflich, wie wir hier sein müssen, und warteten, bis er gegangen war.«
»Und dann?«
»Und dann sind wir wieder rein und haben ihn auf die Liste gesetzt.« »Die Liste?«
»Die Liste der Leute, die keinen Zutritt mehr haben. Wenn jemand sich so aufführt - oder wenn ein Familienangehöriger anruft, uns den betreffenden Namen nennt und darum bittet, wir sollen ihn nicht mehr reinlassen -, dann wird er von uns gesperrt.« Wieder dieses Achselzucken. »Das bringt natürlich nicht viel. Man kann immer noch nach Campione gehen, nach Jesolo, und es gibt auch hier in der Stadt genug Häuser, wo man spielen kann, besonders seit wir die Chinesen haben. Aber wir sind ihn wenigstens losgeworden.« »Wie lange ist das her?«, fragte Brunetti.
»Genau weiß ich das nicht mehr. Das Datum müsste da stehen.« Vasco zeigte auf die Kopie. »Richtig, am zwanzigsten November.«
»Und was war mit seinem Begleiter?«
»Ich wusste zunächst nicht, dass die beiden zusammen gekommen waren. Das habe ich erst später erfahren, als ich ihn auf die schwarze Liste setzen ließ. An den anderen kann ich mich nicht erinnern.«
»Ist der auch gesperrt?«
»Dafür gibt es keinen Grund.«
»Darf ich die mitnehmen?«, fragte Brunetti und wies auf die Kopien.
»Selbstverständlich. Wie gesagt, ich bin Ihnen einen Gefallen schuldig.«
»Würden Sie mir noch einen tun?« »Wenn ich kann.« »Heben Sie die Sperre gegen ihn auf, und rufen Sie mich an, wenn er wieder mal kommt.«
»Abgemacht. Sie müssen mir nur Ihre Telefonnummer geben«, antwortete Vasco. »Ich sage den Mädchen vom Empfang, sie sollen Sie anrufen, wenn ich nicht da bin.«
»Gut«, sagte Brunetti, und dann fiel ihm noch ein: »Meinen Sie, denen kann man trauen? Wenn sie den Kerl für so attraktiv halten?«
Vascos Lächeln wurde noch breiter. »Ich habe ihnen erzählt, dass Sie es waren, der diese beiden Mistkerle verhaftet hat. Denen können Sie jetzt hundertprozentig vertrauen.«
»Danke.«
»Im Übrigen«, sagte Vasco, indem er die Kopien nahm und sie Brunetti reichte, »sind das Spieler. Keins der Mädchen würde solche Leute auch nur mit dem Bootshaken anfassen.«
13
A m nächsten Morgen betrat Brunetti mit den Kopien in der Hand Signorina Elettras Büro. Optisch perfekt auf die Papiere abgestimmt, trug sie Schwarz und Weiß, ein Paar Jeans, die aussahen wie schwarze Levi's - allerdings wie maßgeschneiderte -, und einen Rollkragenpulli, der so weiß war, dass Brunetti fürchtete, sie könnte sich an den Dokumenten schmutzig machen. Sie musterte die Kopien der Passfotos der beiden Männer, sah vom einen zum andern hin und her und sagte schließlich: »Verdammt hübsche Burschen, was?«
»Ja«, antwortete Brunetti und fragte sich, warum anscheinend alle Frauen so auf diese Männer reagierten. Gut aussehen mochten die beiden ja, aber immerhin stand einer von ihnen im Verdacht, an einem Mord beteiligt gewesen zu sein, und trotzdem fiel Frauen nichts anderes dazu ein, als dass sie gut aussähen. Da konnte man als Mann schon seinen
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