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Brunetti 18 - Schöner Schein

Brunetti 18 - Schöner Schein

Titel: Brunetti 18 - Schöner Schein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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gesagt, der Unbekannte habe lediglich ein paar Dateien mit seinen Kontoauszügen und Vermögensaufstellungen geöffnet, als habe er nur herauszufinden versucht, was mein Mann besitzt und wie viel das wert ist.« Wieder betrachtete sie ihre Hände, und als Brunetti ihrem Blick folgte, sah er die Hände einer jungen Frau. »Der Mann hat ihm gesagt«, fuhr sie fort, »es könne sich um eine Untersuchung der Guardia di Finanza gehandelt haben.«
    »Darf ich dann fragen, warum Sie hier sind?«, fragte er mit einer Neugier, die nicht gekünstelt war.
    Ihr Mund war voll und rot, doch ihre oberen Schneidezähne knabberten nervös an der Unterlippe. Die junge Hand strich eine Strähne bleichen Haars, die sich in ihr Gesicht verirrt hatte, nach hinten, und er ertappte sich bei der Frage, ob ihre Haut noch die normale Reizempfindlichkeit besaß oder ob sie die Strähne nur wahrgenommen hatte, weil sie ihr übers Auge gefallen war.
    Erst nach einer Weile - Brunetti hatte den Eindruck, sie müsse sich das erst selbst erklären - sagte sie: »Ich mache mir Sorgen, warum er deswegen nichts unternehmen will.« Bevor Brunetti etwas fragen konnte, fuhr sie fort: »Was da geschehen ist, verstößt gegen das Gesetz. Jedenfalls nehme ich das an. Es ist gewissermaßen ein Überfall, ein Einbruch. Mein Mann hat dem Computermenschen gesagt, er werde sich darum kümmern, aber ich weiß, dass er nichts unternehmen wird.«
    »Ich verstehe immer noch nicht, warum Sie damit zu mir gekommen sind«, sagte Brunetti. »Ich kann überhaupt nur etwas veranlassen, wenn Ihr Mann eine förmliche denuncia einreicht. Dann würde ein Richter die Fakten, also die Beweislage, prüfen müssen und dann feststellen, ob ein Verbrechen stattgefunden hat, und, falls ja, was für eine Art von Verbrechen, und wie gravierend es ist.« Er beugte sich vor und sagte, als spreche er zu einem Freund: »Und das alles würde einige Zeit in Anspruch nehmen, fürchte ich.«
    »Nein, nein«, sagte sie, »das will ich nicht. Wenn mein Mann das nicht weiterverfolgen möchte, ist das seine Entscheidung. Mich ängstigt nur, warum er es nicht will.« Sie sah ihn ruhig an und sagte: »Und ich dachte, Sie kann ich das fragen.« Weiter erklärte sie sich nicht.
    »Wenn es die Guardia di Finanza war«, begann Brunetti nach längerem Nachdenken; er sah keinen Grund, warum er nicht, zumindest in dieser Sache, aufrichtig zu ihr sein sollte, »dann würde es um Steuern gehen, und auch dies ist ein Gebiet, für das ich nicht zuständig bin.« Als sie nickte, fuhr er fort: »Nur Ihr Mann und seine Buchhaltung wissen darüber Bescheid.«
    »Ja, ich weiß«, stimmte sie hastig zu. »Ich glaube nicht, dass es dort irgendwelchen Anlass zur Besorgnis gibt.«
    Das konnte mancherlei bedeuten, erkannte Brunetti. Entweder mogelte ihr Mann nicht bei der Steuer, was ihm unvorstellbar schien, oder in seiner Buchhaltung arbeiteten Experten, die es so aussehen ließen, als ob er das nicht täte - die weit wahrscheinlichere Variante. Oder aber, ebenso gut möglich, wenn man Cataldos Reichtum und Position bedachte, er kannte jemanden bei der Guardia di Finanza, der alle Unregelmäßigkeiten unter den Teppich kehren konnte. »Fällt Ihnen noch etwas anderes ein?«, fragte er.
    »Da könnte alles Mögliche dahinterstecken«, sagte sie mit einem Ernst, der Brunetti beunruhigte.
    »Zum Beispiel?«, erkundigte er sich.
    Sie winkte ab und legte ihre Hände wieder aneinander, verschränkte die Finger, sah ihn an und sagte: »Mein Mann ist ein ehrlicher Mensch, Commissario.« Sie wartete auf seinen Kommentar, und als nichts kam, wiederholte sie: »Ein ehrlicher Mensch.« Sie ließ Brunetti noch mehr Zeit, aber er blieb weiter stumm. »Ich weiß, wie unwahrscheinlich sich das anhört, wenn von einem so erfolgreichen Mann die Rede ist.« Plötzlich, als hätte Brunetti Widerspruch geäußert, sagte sie: »Das hört sich an, als ob ich über seine Geschäfte rede, aber das tue ich nicht. Davon weiß ich nicht viel und will auch nichts wissen. Darum darf - muss - sein Sohn sich kümmern, ich will nichts damit zu tun haben. Über seine Geschäfte kann ich nichts sagen. Aber ich kenne ihn als Mann, und ich weiß, dass er ehrlich ist.«
    Brunetti legte, während er sich das anhörte, im Geiste eine Liste von Männern an, die er selbst als ehrliche Menschen kannte und die allesamt vom Raubrittertum des Staates in die Unehrlichkeit getrieben wurden. In einem Land, wo Konkursbetrug nicht mehr als schweres Verbrechen galt,

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