Bruno Chef de police
wohnen, beteilige mich aber an den Kosten fürs Essen und den Wein. Darum war ich auch im Supermarkt und in dem großen Weinkeller am Ende der Straße. Auf dem Rückweg habe ich dann noch kurz getankt.«
»Sie machen hier Urlaub, Mademoiselle?»
»Teils, teils. Ich lehre Geschichte an einer Universität in England und arbeite an einem Buch, das endlich zum Abschluss gebracht werden muss. Damit beschäftige ich mich immer den ganzen Vormittag bis zum Mittagessen. Den alten Herrn habe ich noch nicht kennengelernt, und ich erinnere mich nicht, auf dem Weg in die Stadt und zurück irgendjemandem begegnet zu sein.«
»Sagen Sie mir bitte, was passiert ist, Monsieur Courreges«, sagte die verrückte Engländerin, die auf Bruno alles andere als verrückt wirkte. »Ist Hamid überfallen worden? Ist er verletzt?«
»Ich hoffe, Sie verstehen, dass ich Ihnen darüber bis auf weiteres keine Auskunft geben kann«, antwortete Bruno und fühlte sich ein wenig lächerlich, wie immer, wenn er die förmliche Rolle des Polizeibeamten spielen musste. Um diesen Eindruck wettzumachen, sagte er: »Nennen Sie mich Bruno. Das tun alle hier. Wenn ich den Namen Monsieur Courrèges höre, drehe ich mich immer um und erwarte, meinen Vater hinter mir stehen zu sehen.«
»Also gut, gern, Bruno. Dann bin ich für Sie Pamela. Gegen ein Glas Mineralwasser oder Fruchtsaft an einem so warmen Tag ist doch bestimmt nichts einzuwenden, oder?«
Bruno nahm die Einladung dankend an. Pamela erschien wieder mit einem Krug gekühltem
citron-pressé,
und die drei nahmen auf den Stühlen am Swimmingpool Platz. Bruno lehnte sich zurück und genoss den Augenblick. Ein kühles Getränk mit zwei charmanten und interessanten Frauen in herrlicher Umgebung war um etliches angenehmer als der Aufenthalt unter schlechtgelaunten Gendarmen und Ermittlungsbeamten in Hamids Häuschen. Umso ernüchternder war der Gedanke daran, dass seine nächste Aufgabe darin bestehen würde, Momu über den Tod seines Vaters zu informieren und ihn aufzufordern, die Leiche zu identifizieren. Gab es außerdem auch noch Besonderheiten bei muslimischen Beerdigungen zu beachten? Bruno nahm sich vor, der Frage nachzugehen.
»Ich wusste gar nicht, dass Sie hier Ihren eigenen Tennisplatz haben, Pamela«, sagte er. »Jetzt verstehe ich endlich, warum wir Sie noch nie im Tennisclub gesehen haben.« Bruno war sehr stolz auf den Club mit seinen drei Betonplätzen und dem vierten, der überdacht war und auch im Winter bespielt werden konnte, dazu das Clubhaus mit Umkleideräumen und Duschen, einer Bar und großen Küche. Der Bürgermeister hatte dank seiner Beziehungen nach Paris Staatsgelder dafür lockermachen können.
»Es ist wegen der harten Plätze. Ich habe mir einmal beim Skifahren das Knie verletzt, und es tut mir immer noch weh, wenn ich auf Hartplätzen spiele.«
»Aber wir haben auch eine Halle mit Kunststoffbelag. Da könnten Sie doch spielen.«
»Im Sommer, wenn die Gäste kommen, fehlt mir die Zeit dazu, und wenn alle drei Appartements belegt sind, bin ich voll eingespannt. Dass ich jetzt mit Christine spielen kann, ist eine Ausnahme. Mein Rasen ist natürlich mit Wimbledon nicht zu vergleichen, aber wenn Sie Lust haben, zur Abwechslung mal auf meinem Platz zu spielen, rufen Sie mich an. Meine Nummer steht im Telefonbuch.«
»Ja, ich würde gern einmal auf Rasen spielen. Wenn ich einen Freund mitbringen dürfte, könnten wir ein gemischtes Doppel spielen. Wie lange bleiben Sie noch, Christine?«
»Bis Ende des Monats. Dann hat Pamela ihr Haus voll. Also bleiben mir noch drei Wochen im wunderschönen Périgord. Dann muss ich nach Bordeaux zurück und mich in Archiven vergraben, um Fußnoten zu überprüfen.«
»Ausgerechnet dann, wenn die Schulferien anfangen und alles in den Urlaub fährt«, sagte Pamela.
»Ich dachte, das Nationalarchiv wäre in Paris«, bemerkte Bruno.
»Das ist es auch. Aber ich suche auch regionale Archive auf und nicht zuletzt das
Centre Jean Moulin. «
»Jean Moulin? Das war doch der Kopf der Résistance, der von den Deutschen getötet wurde, nicht wahr?«, fragte Bruno.
»Ja, und das nach ihm benannte Archiv ist eines der besten zum Thema Résistance. Mein Buch handelt vom Leben in Frankreich in der Zeit des Vichy-Regimes.«
»Ah, darum sprechen Sie auch so gut französisch«, sagte Bruno. »Eine schreckliche Zeit damals, schmerzlich für Frankreich. Und ein sehr kontroverses Thema, wie ich gehört habe. Auch bei uns gibt es Familien, die sich immer
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