Bruno Chef de police
noch spinnefeind sind, weil ihre Angehörigen damals in unterschiedlichen Lagern waren. Und ich meine nicht nur die Kollaborateure. Kennen Sie den alten Jean-Pierre, der das kleine Fahrradgeschäft in der Stadt führt? Er war Mitglied der kommunistischen Résistance. Und auf der anderen Straßenseite wohnt der alte Schuster Bachelot, damals Angehöriger der
Armée secrète,
der Résistance unter de Gaulle. Die beiden liegen immer noch im Streit miteinander und meiden sich wie die Pest. Sie nehmen zwar an denselben Paraden teil, tragen ihre Fahnen zum Denkmal des achtzehnten Juni, gehen sich aber ansonsten geflissentlich aus dem Weg, obwohl das, was geschehen ist, sechzig Jahre zurückliegt. Erinnerungen sind hartnäckig.«
»Was hat es mit dem achtzehnten Juni auf sich?«, fragte Pamela.
»An dem Tag hat de Gaulle 1940 die Franzosen zum Kampf aufgerufen. Seine Rede wurde von der bbc ausgestrahlt«, antwortete Christine. »Heute feiert man ihn als den großen Tag der Résistance, an dem Frankreich seine Ehre und Freiheit zurückgewonnen hat.«
»>Frankreich hat eine Schlacht verloren, aber nicht den Krieg<«, zitierte Bruno aus der Rede de Gaulies. »Das haben wir alle in der Schule gelernt.«
»Hat man Ihnen auch gesagt, dass der achtzehnte Juni der Jahrestag von Napoleons Niederlage bei Waterloo ist?«, frotzelte Christine und zwinkerte Pamela zu.
»Napoleon und Niederlage? Unmöglich!« Bruno schmunzelte. »Der Erbauer unserer prächtigen Steinbrücke hier in Saint-Denis war nicht zu bezwingen, schon gar nicht vom perfiden Albion. Haben wir euch Engländer denn nicht im Hundertjährigen Krieg, der übrigens hier im Périgord unter Jeanne d'Arc seinen Ausgang nahm, aus Frankreich vertrieben?«
»Aber jetzt sind wir wieder da«, konterte Christine. »Damals mag man uns ja zum Rückzug gezwungen haben, aber jetzt scheint es, dass unsereins wieder auf dem Vormarsch ist und Haus für Haus, Dorf für Dorf einnimmt.«
»Ich glaube, meine Freundin versucht, Sie aufzuziehen, Bruno«, sagte Pamela.
»Egal, wir sind inzwischen alle Europäer.« Bruno lachte. »Viele von uns freuen sich darüber, dass die Engländer zurückkommen und alte Häuser und Gehöfte instand setzen. Der Bürgermeister spricht häufig davon. Er sagt, das ganze Département der Dordogne läge am Boden, wenn die englischen Touristen ausblieben. Im neunzehnten Jahrhundert haben wir unsere Vorrangstellung im Weinhandel verloren, jetzt verlieren wir den Tabak, und unsere kleinen Bauern können mit den großen Betrieben im Norden nicht Schritt halten. Sie sind also herzlich willkommen, Pamela, und ich gratuliere Ihnen zu Ihrem Anwesen hier. Sie haben etwas sehr Schönes daraus gemacht.« Bruno stand auf.
»Sie würden mir wahrscheinlich nicht gratulieren, wenn jetzt Winter wäre und der Garten kahl. Trotzdem - danke für das Kompliment. Mir gefällt es hier sehr«, erwiderte Pamela. Sie erhob sich ebenfalls lächelnd: »Kommen Sie doch bald einmal vorbei. Ich freue mich auf Ihren Anruf wegen dem gemischten Doppel. Und falls ich etwas für Hamid tun kann, lassen Sie es mich wissen. Ich könnte für ihn einkaufen und kochen.«
»Ich werde Sie bestimmt anrufen, Pamela. Und vielen Dank für Ihre Hilfsbereitschaft, aber die Behörden haben alles so weit im Griff«, sagte er und merkte, dass er etwas förmlich klang.
»Wenn es ein Einbruch war, sollte ich mich wohl in Acht nehmen. Was meinen Sie?« Besorgt wirkte sie nicht, vielmehr schien es, als wollte sie ihm Informationen entlocken. »Ich verriegele abends immer Türen und Fenster und schalte die Alarmanlage ein.«
»Nein, für Sie besteht überhaupt kein Grund zur Sorge«, antwortete Bruno. Pamela würde bald erfahren, was geschehen war, und so wollte er sie vorsorglich beruhigen.
»Hier ist meine Karte. Darauf steht auch die Nummer meines Handys. Sie können mich jederzeit anrufen«, sagte er. »Und vielen Dank für den Drink. Es war mir ein Vergnügen, Mesdames. « Er legte die Visitenkarte auf den Tisch, verbeugte sich und kehrte zu seinem Wagen zurück. Bevor er beim Pferdestall um die Ecke bog, winkte er den beiden noch einmal zu und fühlte sich einigermaßen gerüstet für den Besuch bei Momu.
7
Momu bewohnte ein kleines Haus am Fluss, einen dieser Kästen aus industriell vorgefertigten Bauteilen, die inzwischen überall als billige Wohnungen für Ortsansässige aus dem Boden gestampft wurden, die auf dem Immobilienmarkt nicht mehr mit den Engländern und ihrer starken Währung
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