Bruno Chef de police
Kopf, den sie wie einen Schleier über Mund und Nase gefasst hielt.
»Was kannst du uns sagen?«, fragte Momu. »Ich weiß nur, dass mein Vater ermordet worden ist, und kann es immer noch nicht glauben.«
»Mehr wissen wir im Augenblick auch nicht. Warten wir ab, was die Kriminaltechnik ans Licht bringt«, antwortete Bruno.
»Ich hab auf der Feuerwache was anderes gehört«, sagte Ahmed, der als Kraftfahrer beim Tiefbauamt beschäftigt war und auch als Freiwilliger bei der Feuerwehr Dienst leistete. Die kleine Station hatte nur zwei Berufsfeuerwehrleute, der Rest der Mannschaft bestand aus Freiwilligen wie Ahmed, die in Notfällen von der alten Sirene aus Kriegszeiten auf dem Dach der
mairie
gerufen wurden. Und da sie auch als Sanitäter zum Einsatz kamen und bei Unfällen oder Brandkatastrophen immer als Erste ausrückten, war es unmöglich, irgendetwas geheim zu halten. Sie erzählten ihren Frauen, was passiert war, und die erzählten es weiter, so dass die ganze Stadt innerhalb weniger Stunden Bescheid wusste.
»Es war ein brutaler Mord, Hamid wurde erstochen. So viel wissen wir, mehr nicht«, ergänzte Bruno vorsichtshalber, denn er konnte sich vorstellen, was Ahmed von den anderen Feuerwehrleuten gehört hatte.
»Und dass Rassisten dahinterstecken, Faschisten«, knurrte Ahmed. »Ich habe gehört, was dem alten Hamid auf die Brust geritzt worden ist. Es waren diese Schweine des
Front National.
Sie haben sich über einen wehrlosen alten Mann hergemacht.«
Bruno wand sich innerlich. Dieses scheußliche Detail war offenbar noch schneller bekannt geworden, als er befürchtet hatte, und das Gerede darüber würde sich wie ein Lauffeuer verbreiten und die Stimmung im Ort zusätzlich aufladen.
»Ich weiß nicht, was du gehört hast, Ahmed, ich weiß aber, was ich mit eigenen Augen gesehen habe. Das, worauf du anspielst, ist überhaupt noch nicht geklärt. Diese Schnittwunden könnten entstanden sein, als Täter und Opfer miteinander kämpften«, sagte Bruno und schaute Ahmed mit festem Blick ins Gesicht. »Gerüchte sind immer voller Übertreibungen, Ahmed. Halten wir uns lieber an die Fakten.«
»Bruno hat recht«, sagte der Bürgermeister ruhig. Die freundliche Art des kleinen schlanken Mannes konnte darüber hinwegtäuschen, dass er sich sehr wohl durchzusetzen verstand. Als Bruno seinen Polizeidienst aufgenommen hatte, war Gérard Mangin schon seit über zehn Jahren Bürgermeister von Saint-Denis. Wie seine Vorfahren in der Stadt geboren, hatte er dank guter Schulleistungen und Stipendien eine der sogenannten
grandes écoles,
eine der Elitehochschulen, in Paris besucht, wo Frankreich seine künftigen Führungskräfte ausbildet. Er hatte für das Finanzministerium gearbeitet, sich mit einem der aufstrebenden Jungstars der gaullistischen Partei, einem jungen Mann namens Jacques Chirac, zusammengetan und seine eigene Karriere als Politiker gestartet. Später hatte Chirac ihn als persönlichen Referenten zur Europäischen Kommission nach Brüssel geschickt, wo er sich mit den komplizierten Verfahren der Bewilligung von Zuschüssen beschäftigte. In den siebziger Jahren zum Bürgermeister von Saint-Denis gewählt, führte er für Chirac die Partei im Département Dordogne und wurde dafür mit einem Sitz im Senat belohnt, den er in Stellvertretung seines verstorbenen Vorgängers übernahm. Saint-Denis profitierte von seinen guten Beziehungen nach Paris und Brüssel. Dank der von ihm erwirkten staatlichen Beihilfen konnten die
mairie
renoviert und Tennisplätze angelegt werden; außerdem entstanden ein Altenheim, das kleine Industriegebiet, Campingplätze, das Schwimmbad und das Zentrum für landwirtschaftliche Forschung. Auch der Bau des Einkaufszentrums mit dem neuen Supermarkt ging auf ihn zurück. Ohne Mangins Engagement und seine politischen Beziehungen wäre vielleicht auch Saint-Denis - wie so viele kleine Marktflecken des Périgord - nach und nach ausgestorben.
»Liebe Freunde, unser Momu hat einen großen Verlust erlitten, und wir trauern mit ihm. Aber wir dürfen nicht zulassen, dass die Trauer in Hass umschlägt«, sagte der Bürgermeister. Er ergriff Momus Hand, zog den stämmigen Araber an seine Seite und blickte sich im Kreis um. »Wir, die wir hier versammelt sind, um unserem Freund beizustehen, tragen allesamt Verantwortung für unsere Gemeinde und sind aufgerufen, für Recht und Ordnung zu sorgen. Wir unterstützen die Polizei und die zuständigen Behörden nach Kräften und verbürgen uns für
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