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Bruno Chef de police

Bruno Chef de police

Titel: Bruno Chef de police Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walker
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als Verräter umgebracht. Ein paar wenige
Harkis
konnten nach Frankreich fliehen. Vielleicht erinnern Sie sich an die Rede von Präsident Chirac, in der er darauf hingewiesen hat, wie schlecht sie hier behandelt werden, obwohl sie für uns gekämpft haben. Er hat sich dafür öffentlich bei ihnen entschuldigt.«
    »Ja, Opa war da«, sagte Karim. »Er ist zur Parade eingeladen worden, die anlässlich der Rede Chiracs abgehalten wurde. Man hat ihm die Fahrt mit der Eisenbahn, seine Hotelübernachtung und alles andere bezahlt. Er hat sein
croix de guerre
getragen, auf das er sehr stolz war. Es hing immer bei ihm an der Wand.«
    »Die Medaille hing an der Wand?«, fragte Bruno nach. »Ich hab sie nicht gesehen. Komm, zeig mir, wo.«
    Sie kehrten in den Raum zurück, der nicht nur wie ein Schlachthaus aussah, sondern auch so stank. Die Feuerwehrleute packten ihre Sachen zusammen, und die Gendarmen hatten Scheinwerfer aufgestellt, um Fotos vom Tatort zu machen. Karim vermied es, seinen Großvater anzusehen, und zeigte auf die Wand neben dem Kamin, doch da waren nur zwei Nägel zu sehen, sonst nichts.
    »Sie ist weg«, sagte Karim. »Da hat sie immer gehangen. Er hat sie für seinen ersten Urenkel aufbewahren wollen. Jetzt ist sie weg. Und das Foto auch.«
    »Was für ein Foto?«, fragte Bruno.
    »Von der Fußballmannschaft aus Marseille, in der er in jungen Jahren gespielt hat.«
    »Wann war das?«
    »Das weiß ich nicht so genau. Irgendwann in den dreißiger oder vierziger Jahren, glaube ich. Er war damals in Frankreich.«
    »Während des Krieges?«, fragte Bruno.
    »Keine Ahnung.« Karim zuckte mit den Achseln. »Über die Zeit damals hat er kaum gesprochen, nur dass er viel Fußball gespielt hat.«
    »Sie sagten, Ihr Großvater sei Jäger gewesen«, hakte Duroc nach. »Hat er eine Flinte besessen?«
    »Nicht, dass ich wüsste«, antwortete Karim. »Er ist jedenfalls seit Jahren nicht mehr auf die Jagd gegangen. Dafür sei er zu alt, hat er gesagt. Aber geangelt hat er häufig. Darin war er gut, und Momu hat ihn frühmorgens vor der Schule oft begleitet.«
    »Wenn er eine Waffe hatte, müsste sie ja zu finden sein. Warten Sie hier«, befahl Duroc und kehrte ins Haus zurück. Bruno zog sein Handy aus der Tasche, rief Mireille in der
mairie
an und bat sie, zu überprüfen, ob auf den Alten eine Jagd- oder Waffenlizenz ausgestellt war. Mit Karims Hilfe buchstabierte er den vollständigen Namen: Hamid Mustafa al-Bakr.
    »Sieh unter A für al oder B für Bakr nach«, sagte Bruno. »Und wenn gar nichts zu finden ist, versuch's mit H für Hamid oder M für Mustafa.« Mireille war Witwe und berühmt für ihren unübertrefflichen
tête de veau.
Nachdem ihr Mann schon früh an einem Herzinfarkt gestorben war, hatte der Bürgermeister sie als Bürokraft eingestellt. Doch im Verwalten von Akten war sie eindeutig weniger gut als im Zubereiten von Kalbskopfgerichten.
    »Wir warten jetzt auf die Ermittlungsbeamten. Könnte dauern«, brummte Duroc. Die Gendarmerie hatte für die Kollegen von der
police nationale
nicht viel übrig. Während die Gendarmen dem Verteidigungsministerium unterstellt waren, bezog die
police nationale
ihre Befehle vom Innenministerium, und zwischen beiden Behörden kam es ständig zu Kompetenzstreitereien.
    Bruno hatte sich an ganz andere Dienstwege zu halten. Sein Chef war der Bürgermeister.
    »Ich werde mal losziehen und mich mit den Nachbarn unterhalten«, sagte er. »Vielleicht hat jemand was gehört oder gesehen.«
     

6
    Das nächste Haus lag an der Hauptstraße, die zu der großen Tropfsteinhöhle führte, auf die das Fremdenverkehrsbüro von Saint-Denis besonders stolz war. Die kunstvoll beleuchteten Stalagmiten und Stalaktiten bildeten bizarre Formen aus und ließen mit einiger Phantasie Gestalten wie die Jungfrau Maria oder Charles de Gaulle erkennen. Bruno konnte sich nie merken, ob Stalaktiten nach oben oder unten wuchsen. Für ihn sahen sie alle wie riesige Orgelpfeifen aus, und er schätzte die Höhle vor allem wegen der Jazz- und klassischen Musikkonzerte, die jedes Jahr im Sommer dort stattfanden. Außerdem gefiel ihm die Geschichte ihrer Entdeckung durch einen unerschrockenen Forscher, der sich durch die Öffnung auf einen Berg von Knochen hatte abseilen lassen. Die Knochen stammten von Pilgern, die von Rocamadour und Cadouin nach Santiago de Compostela unterwegs gewesen und mörderischen Wegelagerern zum Opfer gefallen waren.
    Das Haus gehörte Yannick, dem Verwalter der Höhle, und seiner

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