Bruno Chef de police
ein solidarisches Miteinander. Lasst uns also fest zusammenstehen. Ich zähle auf euch.«
Er schüttelte jedem einzeln die Hand, Ahmed als Erstem, dann machte er Bruno ein Zeichen mitzukommen. In der Tür blieb er noch einmal stehen, drehte sich um und rief dem Schulrektor zu: »Rollo, bitte bleib doch noch so lange, bis ich wiederkomme, um meine Frau abzuholen.« Dann nahm er Bruno beim Arm und führte ihn nach draußen, außer Hörweite.
»Was hat das mit dem Hakenkreuz auf sich?«, wollte er wissen.
»Tja, die Schnittwunden auf Hamids Brust sehen ganz so aus, und für die Gendarmen und Feuerwehrleute scheint kein Zweifel daran zu bestehen. Sie haben wahrscheinlich recht, aber ich würde trotzdem sagen, wir sollten die Autopsie abwarten. Fest steht, dass ihm ein Messer in den Bauch gestoßen und der ganze Unterleib aufgeschlitzt worden ist. Aber die Ritzereien auf der Brust könnten auch was anderes zu bedeuten haben. Da will ich mich nicht festlegen.« Bruno schüttelte den Kopf und kniff die Augen zusammen, um das innere Bild zu löschen. Der Bürgermeister drückte seinen Arm.
»Er ist regelrecht abgeschlachtet worden«, fuhr Bruno nach einer Weile fort. »Man hat dem Alten die Hände auf dem Rücken gefesselt. Offenbar hatte er gerade beim Mittagessen gesessen. Auf einen Raubüberfall deutet nichts hin. Allerdings behauptet Karim, dass zwei Gegenstände fehlen: ein
croix de guerre,
das ihm als
Harki
verliehen wurde, und ein Foto von seiner alten Fußballmannschaft. In der Nachbarschaft hat niemand etwas gehört oder gesehen. Mehr weiß ich nicht.«
»Ich glaube, ich habe den alten Herrn nie gesehen. Sonderbar, wo ich doch sonst jedes Gesicht in der Stadt kenne«, sagte der Bürgermeister. »Kannten Sie ihn?«
»Eigentlich auch nicht. Zum ersten Mal habe ich ihn auf Karims Hochzeit gesehen, kurz bevor er hierhergezogen ist. Dann ist er mir einmal in Karims Café begegnet. Da haben wir uns aber nur kurz die Hand geschüttelt. Zu einem Gespräch ist es nie gekommen. Vermutlich hätte ich ihn ohnehin nicht verstanden. Er hat sehr zurückgezogen gelebt und außer mit seiner Familie mit niemandem verkehrt. Ich kann mich nicht erinnern, ihn jemals auf dem Markt, in der Bank oder beim Einkaufen gesehen zu haben. Er war wohl so was wie ein Eremit dort oben in seinem kleinen Häuschen. Ohne Fernseher oder Auto. Er war ganz auf Momu und Karim angewiesen.«
»Merkwürdig«, sinnierte der Bürgermeister. »In arabischen Familien ist es doch sonst üblich, dass die Alten bei ihren Kindern leben. Aber vielleicht hatte er als
Harki
und Kriegsheld Angst davor, von jüngeren Einwanderern schikaniert zu werden.
Harkis
gelten in deren Kreisen ja immer noch als Verräter.«
»Schon möglich. Mag sein, irgendwelche islamistische Extremisten haben in ihm einen Verräter am Glauben gesehen, weil er doch kein gläubiger Muslim mehr war«, sagte Bruno, schien aber selbst an seinen Worten zu zweifeln. Es war kaum vorstellbar, dass Muslime ein Hakenkreuz in einen Körper ritzten. »Wir tappen noch im Dunkeln. Ich werde mich ausführlicher mit Momu unterhalten müssen. Für ihn und Karim war es doch bestimmt auch ziemlich lästig, den Alten tagtäglich abzuholen und zum Essen mit nach Hause zu nehmen. Vielleicht steckt mehr dahinter als bloßes Pflichtgefühl. Wir sollten Momu einmal fragen, ob er sich an irgendwelche Einzelheiten im Zusammenhang mit der Fußballmannschaft erinnert, in der sein Vater gespielt hat. Das war, glaube ich, in den dreißiger oder vierziger Jahren in Marseille. Dass das Foto verschwunden ist, wird seinen Grund haben.«
»Na gut, Bruno. Ich gehe jetzt wieder rein und hole meine Frau.« Der Bürgermeister drehte sich um. Plötzlich hob er die Hand, wie immer, wenn er eine Entscheidung traf und dann an den Fingern Punkt für Punkt einer Liste abzählte. Meist hatte er zwei, aber nie mehr als vier Punkte - vielleicht aus Sorge, die Finger könnten nicht reichen, dachte Bruno in einem Anflug von Sympathie für den alten Herrn. »Ihnen ist doch klar, dass diese Sache ziemlich heikel werden könnte, oder? Wir müssen uns auf einigen Medienrummel gefasst machen, und wahrscheinlich wird es zu Solidaritätskundgebungen kommen, in die sich womöglich auch einige Politiker einschalten. Aber darum kümmere ich mich, wenn es so weit ist. Ihre Aufgabe wird es sein, Bruno, mich über die laufenden Ermittlungen zu informieren und zu mir zu kommen, wenn Ärger oder irgendwelche Verhaftungen anstehen. - Ich hätte da
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