Bruno Chef de police
zusammengearbeitet: im Zusammenhang mit den Ermittlungen des bislang einzigen Banküberfalls in Saint-Denis. Jean-Jacques war es damals gelungen, den Fall aufzuklären, die Täter zu fassen und sogar einen Teil der Beute sicherzustellen, doch das lag Jahre zurück. Inzwischen war er zweimal befördert worden und hatte sein eigenes Team, dem auch eine junge Frau angehörte. Sie trug einen dunkelblauen Anzug mit silbernem Schal und die kürzesten Haare, die Bruno jemals bei einer jungen Frau gesehen hatte. Sie saß in dem Ausstellungsraum vor einem neuinstallierten Computer, während ihre Kollegen damit beschäftigt waren, Telefone und Kopiergeräte anzuschließen, Schreibtische in Beschlag zu nehmen und eine Pinnwand aufzuhängen. Statt der hübschen Landschaften und Aquarelle ortsansässiger Künstler beherrschte den Raum nun eine lange weiße Tafel mit scheußlichen Fotos vom Tatort, allen voran Nahaufnahmen der gefesselten Hände und der gesäuberten Brust, auf der unverkennbar das Hakenkreuz zu sehen war.
»Okay, hier hätten wir unser Album der extremen Rechten. Ich hoffe, Sie haben gute Augen, denn es gibt für Sie Hunderte von Schnappschüssen zu sichten«, sagte die junge
Inspectrice
Perrault, die sich ihm mit einem knappen, geschäftsmäßigen Lächeln als Isabelle vorgestellt hatte. »Fangen wir mit den Anführern an; dann gehen wir zu den uns bekannten Aktivisten über, und zum Schluss hätten wir da noch Fotos von Demonstrationen. Sagen Sie einfach Halt, wenn Sie jemanden erkennen.«
Bruno kannte die ersten drei Gesichter aus Fernsehberichten, Parteifunktionäre, die während irgendwelcher Kundgebungen fotografiert worden waren. Einen von ihnen sah er gleich ein zweites Mal, agitierend auf einer Bühne vor großem Publikum. Und dann kamen Bilder von ganz gewöhnlichen Männern und Frauen, aufgenommen auf Demonstrationen. Die Fotos waren namentlich gekennzeichnet und mit Funktionsbezeichnungen versehen: Landesvorsitzender, Schriftführer, Schatzmeister, Gruppenführer, Ausschussmitglieder, Aktivisten oder Berater. Sie waren jung und alt, dick und dünn, attraktiv und unansehnlich, Gesichter, wie man sie auf jedem Markt oder unter den Zuschauern eines Rugbyspiels zu sehen bekam. Und tatsächlich erkannte Bruno einen von ihnen, einen bärbeißig aussehenden Typ.
»Den kenn ich«, sagte er. »Er ist Rugbyspieler in Montpon ganz drüben im Westen bei Bordeaux und hat ein- oder zweimal hier gegen unsere Mannschaft gespielt.«
Isabelle machte sich eine Notiz. Ihre kurzen Haare rochen nach einem Shampoo, das Bruno aus dem Duschraum des Tennisclubs vertraut war. Sie wirkte sehr sportlich und fit, als würde sie täglich joggen oder ein Krafttraining absolvieren. Ihre Beine waren lang und schlank; die Schuhe steckten in Pumps, die für eine Polizistin nicht nur ungeeignet, sondern für ein Inspektorengehalt auch viel zu teuer schienen.
»Wie kommen Sie an all diese Fotos?«, fragte Bruno und musterte ihre Hände, die kurzgeschnittenen Nägel und feingliedrigen Finger, die elegant über die Tastatur tanzten.
»Aus verschiedenen Quellen«, sagte sie. Sie sprach dialektfrei und artikulierte deutlich, so kühl und gleichzeitig angenehm wie eine Nachrichtensprecherin. »Von Websites, Flugblättern, Pressemitteilungen und Fernsehausschnitten. Manche stammen aus Geheimdienstakten der
renseignements généraux.
Die dürften wir eigentlich gar nicht haben, aber Sie wissen ja, wie es um die Datensicherheit im Computerzeitalter bestellt ist. Viele Fotos haben wir auch selbst geschossen, auf Kundgebungen oder Demonstrationen. Wir haben diese Typen im Blick, und nicht nur die aus dem rechten, sondern auch die aus dem linken Spektrum.«
Sie zeigte ihm nun Fotos auf dem Bildschirm, die anscheinend während einer Wahlkundgebung auf dem Hauptplatz von Périgueux gemacht worden waren, von einem Balkon aus. Auf all diesen Fotos waren Dutzende von Gesichtern zu sehen, und Bruno betrachtete jedes einzelne eingehend. Eines ließ ihn aufmerken, doch dann erkannte er darin einen Reporter des
Sud-Ouest
wieder, der mit Stiff und einem Notizblock in der Hand ein wenig abseitsstand und durch den Rauch seiner Zigarette blinzelte. Bruno gab Isabelle ein Zeichen fortzufahren.
»Wollen Sie nicht mal eine Pause einlegen, Bruno?«, fragte sie. »Man wird ja noch ganz blöd im Kopf, vor allem dann, wenn man nicht daran gewöhnt ist.«
»Ja, vorm Computer sitze ich wirklich selten«, sagte Bruno. »Der kommt bei uns kaum zum Einsatz. Ich kann
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