Bruno Chef de police
vier Männer eilten über den feuchten Rasen und verzogen sich in die Tennishalle, auf die sie alle sehr stolz waren. Mit ihren aus Plastikplanen gespannten Wänden und dem Dach aus geripptem durchscheinenden Kunststoff sah die Halle aus wie ein Flugzeughangar, doch der Innenraum ließ nichts zu wünschen übrig. Da waren der erhöhte Schiedsrichterstuhl, eine Anzeigetafel und sogar Bankreihen für Zuschauer. An einem Metallgestell hingen mehrere kleine Plakate, mit denen hiesige Unternehmen und die Zeitung
Sud-Ouest
für sich warben.
Bruno spielte an der Seite des alten Barons, der eigentlich gar kein echter Baron war, sondern als der größte Grundbesitzer mit manchmal herrischer Attitüde nur so genannt wurde, was ihm durchaus gefiel. Das andere Doppel bildeten wie gewöhnlich Xavier und Michel. Sie begannen ihr Match, bei dem es weniger um Sieg und Niederlage ging als um ein gefälliges allwöchentliches Ritual. Als Bruno servierte, blieb der Baron auf der Grundlinie stehen, wo er sich am liebsten aufhielt, um dem »jungen Hüpfer« Bruno Gelegenheit zu geben, mit Volleys am Netz zu glänzen. Wie immer war Brunos erster Aufschlag zu lang.
Der zweite aber kam richtig und wurde von Xavier auf den Baron retourniert, der mit einem seiner gefürchteten Stoppbälle konterte. Michel war der bessere Spieler, aber die vier spielten so häufig miteinander, dass sie die Möglichkeiten und Grenzen des jeweils anderen genau kannten. Nach einem Doppelfehler, einem misslungenen Volley und einem zufällig dermaßen gut gelungenen Aufschlag, dass sich Bruno vorstellen konnte, irgendwann einmal wirklich gut Tennis spielen zu können, wurden die Seiten gewechselt.
»Habt ihr das Schwein schon geschnappt?«, fragte Michel, als sie einander auf Höhe des Netzes passierten. Er leitete das städtische Tiefbauamt, hatte sechzehn Angestellte unter sich und beaufsichtigte einen Fuhrpark aus Lastwagen, Baggern und einem kleinen Bulldozer. Jedes Bauvorhaben in Saint-Denis bedurfte seiner Unterschrift. Er war kräftig gebaut, wenn auch eher klein gewachsen, hatte einen kleinen, aber festen Bauch und war in seinem öffentlichen Auftreten ebenso dynamisch wie auf dem Spielfeld. Er stammte aus Toulon und hatte zwanzig Jahre als Ingenieur bei der Marine gedient.
Bruno zuckte mit den Achseln. »Das ist Sache der
police nationale,
und inzwischen hat sich auch Paris eingeklinkt. Ich weiß nicht viel mehr als du. Und wenn ich mehr wüsste, dürfte ich es dir nicht sagen.«
Ihm war klar, dass sich seine Tennispartner damit nicht begnügen würden. Sie bildeten in der Stadt eine Art geheime Regierung. Ohne die großzügigen Spenden des Barons wären der Tennis- und Rugbyclub nicht das, was sie waren. Michel nahm auf alle wichtigen kommunalen Angelegenheiten großen Einfluss, und Xavier leistete als Vizebürgermeister in der
mairie
einen Großteil der Verwaltungsarbeit. Er hatte die Unterpräfektur in Sarlat geleitet, ehe er in seine Heimatstadt Saint-Denis zurückgekehrt war, wo sein Vater eine Renault-Vertretung managte und sein Schwiegervater das große Sägewerk besaß. Zusammen mit Bruno und dem Bürgermeister kümmerten sie sich um die Interessen der Stadt und hatten gelernt, diskret zu sein. Von Bruno aber erwarteten sie, dass er sie auf dem Laufenden hielt; nicht zuletzt deshalb trafen sie sich jeden Freitag zum Tennisspielen.
Michel beherrschte den klassischen Aufschlag. Er warf den Ball hoch in die Luft, zog den Schläger nach allen Regeln der Kunst durch und traf den Ball mit voller Wucht. Bruno retournierte mit der Vorhand. Sein Ball prallte auf die Netzkante und rollte davon ab ins gegnerische Feld.
»Pardon«, sagte er. Michel nickte anerkennend und ließ zur Vorbereitung auf den nächsten Aufschlag den Ball ein paarmal hintereinander von der Hand auf den Boden prallen. Sie hatten gerade Einstand erreicht, als zwei Männer mit nass geregneten Haaren in die Halle kamen: Schulrektor Rollo - wie immer verspätet - und der Schotte Dougal, ein Nachbar und Zechkumpan des Barons. Die beiden grüßten winkend und nahmen auf der Bank Platz, um sich den Rest des Spiels anzuschauen. Danach waren sie an der Reihe und spielten gegen Xavier und Rollo, während Bruno und der Baron zuschauten, um anschließend gegen das Verliererpaar anzutreten. Rollo spielte mehr schlecht als recht, aber umso begeisterter, und stürmte immer wieder ans Netz. Dougal dagegen hatte langjährige Turniererfahrung und beherrschte das Spiel von der Grundlinie. Ihm
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