Bruno Chef de police
jedenfalls nicht wieder geprügelt.«
»Freunde?«
»Nein, aber das will nichts heißen. Sie sind miteinander klargekommen. Momu hat Richard sogar zum Essen eingeladen, damit er sehen konnte, dass er es mit einer ganz normalen französischen Familie zu tun hatte. Ich weiß von Momu, dass er ihn sogar ganz nett, wohlerzogen und intelligent fand. Richard ist mit einem Blumenstrauß angekommen.«
»Die Blumen hat ihm wahrscheinlich seine Mutter mitgegeben«, sagte Xavier.
»Sie wählt links, nicht wahr?«, fragte Michel.
»Grün«, korrigierte Xavier, der als Vizebürgermeister natürlich über die politischen Präferenzen der Bürger von Saint-Denis bestens Bescheid wusste. »Sie hat an der Demonstration gegen die angebliche Umweltverschmutzung durch das Sägewerk teilgenommen. Diese blöden Ökos wollen, dass es dichtgemacht wird. Dass dabei dreißig Arbeitsplätze verlorengehen, scheint die nicht weiter zu interessieren.«
»Was ich sagen wollte, ist, dass Richard bei sich zu Hause bestimmt keine fremdenfeindlichen Sprüche gehört hat. Seine Mutter ist eine Grüne, und der Doktor scheint sich aus Politik nichts zu machen«, fuhr Michel fort. »Wo hat der Junge das bloß her?«
»Das hat er sich im Bett geholt«, antwortete Bruno. »Von dem Mädchen aus Lalinde, das bei uns voriges Jahr ins Halbfinale gekommen ist. Sie hängt offenbar tief drin im
Front National.
Sie ist ein ziemlich hübsches Ding, und ich glaube, er hat sich in sie verknallt.«
»Kann ich mir kaum vorstellen«, sagte Rollo. »Die Prügelei war vor drei Jahren. Er muss damals um die dreizehn gewesen sein. Das Mädchen hat er aber erst letzten Sommer beim Turnier kennengelernt, mit fünfzehn oder sechzehn.« Rollo hob sein Glas und schien es auf einen Zug leeren zu wollen, besann sich dann aber, schnupperte am Saint-Emilion und nahm nur einen kleinen Schluck.
»Als er unsere Schule verließ, war er ein anständiger Junge und ein guter Schüler«, sagte Rollo schließlich. »Ich dachte, dass er es wahrscheinlich bis an eine der Tophochschulen in Paris, die
Sciences-Po
oder die
Polytechnique,
schaffen würde.«
»Stattdessen wird dein Musterknabe womöglich im Knast landen«, bemerkte der Baron und wischte mit einem Stück Brot den letzten Omeletterest vom Teller.
11
Vormittags trank Bruno normalerweise nie, ausgenommen samstags, wenn auf dem Platz vor der
mairie
Markt war und die Händler zwischen den uralten Steinsäulen ihre Stände aufstellten. Stéphane stand mit seinem umgebauten Lieferwagen auf dem Parkplatz, verkaufte Milch, Butter und Käse. Gegen neun, eine Stunde nach Öffnung des Marktes, gab es bei ihm immer einen
casse-croûte,
einen kleinen Imbiss. Für ihn, der schon um fünf aufstand, um seine Kühe zu versorgen, war es das zweite Frühstück. Bruno aber nahm für gewöhnlich samstags hier seinen ersten Bissen zu sich, meist ein dickes Stück Brot, bestrichen mit Stéphanes Kaninchenpastete, und dazu ein kleines Glas Rotwein. Der Wein kam von dem jungen Raoul, der den Weinhandel von seinem Vater übernommen hatte. Heute empfahl er Bruno einen jungen roten
Côtes de Duras,
aus einem Anbaugebiet, das vor allem für seine Weißweine bekannt war.
»Was kostet der?«, fragte Bruno, angetan von dem Tropfen, der um einiges besser war als der Bergerac, den er normalerweise samstags morgens vorgesetzt bekam.
»Fünf Euro, aber dir überlass ich eine Kiste für fünfzig. Und du solltest ihn drei bis vier Jahre lang ruhen lassen«, antwortete Raoul.
Bruno ging mit seinem Geld sehr sparsam um, zumal sein Lohn fast ebenso bescheiden war wie seine Bedürfnisse. Wenn er Wein auf Vorrat kaufte - meist eine bewährte Lage -, dann hatte er eine Feier mit Freunden im Blick, denen er etwas Besonderes anbieten wollte. Meist teilte er sich mit dem Baron ein 300-Liter-Fass, das sie von einem kleinen Winzer in Lalande de Pomerol kauften und selbst auf Flaschen zogen, wobei einiges probiert wurde. Abends gab es dann im alten Schloss des Barons immer ein großes Fest, an dem das halbe Dorf teilnahm.
»Hast du den Doktor gesehen?«, fragte Stéphane.
»Noch nicht«, antwortete Bruno. »Ich weiß auch sonst nichts Näheres. Die
police nationale
ist eingeschaltet, und die Ermittlungen werden von Périgueux aus geführt.«
»Aber er ist doch einer von uns.« Stéphane wich Brunos Blick aus und biss ein großes Stück von seinem Brot ab.
»Ja, genau wie Karim und Momu«, entgegnete Bruno mit Nachdruck.
»Nicht ganz«, widersprach Raoul. »Die
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