Bruno Chef de police
recht geben, sah aber auch, wie gefährlich falsch dessen Schlussfolgerungen waren. Vor allem aber bedauerte er, dass die kleine Idylle von Saint-Denis von solchen Gesprächen und feindseligen Gefühlen nicht länger verschont blieb.
»Ihr kennt mich«, sagte Bruno nach kurzer Denkpause. »Ich bin ein einfacher Mann und halte mich nicht für was Besseres. Aber ich befolge das Gesetz, weil das zu meinem Job gehört. Und nach unserem Recht ist jeder, der hier geboren wird, französischer Staatsbürger, egal ob weiß, schwarz, braun oder violett. Und vor dem Gesetz sind alle Franzosen gleich, also auch in meinen Augen. Wenn das nicht mehr gelten sollte, steht uns wirklich großer Ärger ins Haus.«
»Den haben wir schon. Wir haben einen ermordeten Araber, einen unserer jungen Burschen in Haft und jede Menge Rauschgift im Umlauf«, bemerkte Raoul. »Das ist zurzeit unser einziges Thema.«
Bruno kaufte Butter und ein Stück
aillou,
einen besonders kräftigen Knoblauchkäse, von Stéphane, vom Biobäcker ein großes Landbrot und am Obststand ein Körbchen Erdbeeren. Er brachte die Sachen in sein Büro und wanderte dann den Flur hinunter zum Büro des Bürgermeisters. Die Sekretärin hatte samstags frei, der Bürgermeister aber saß wie gewöhnlich am Schreibtisch, paffte an seiner großen Pfeife, was er bei sich zu Hause nicht durfte, und widmete sich seinem Hobby, der Stadtgeschichte von Saint-Denis. Daran arbeitete er schon seit fünfzehn Jahren, ohne groß voranzukommen, wie es schien. Trotzdem war er für eine Unterbrechung immer dankbar.
»Ah, mein lieber Bruno«, sagte er, stand auf und ging über den Perserteppich, dessen Rottöne auf dem dunklen Holzboden zu glühen schienen, zu dem kleinen Eckschrank, in dem er seine Spirituosen aufbewahrte. »Schön, Sie zu sehen. Stoßen wir mit einem Gläschen an, und dann erzählen Sie mir, was es alles an Neuigkeiten gibt.«
»Es gibt nicht viel Neues, Monsieur, eigentlich nur das, was ich heute Morgen von Jean-Jacques am Telefon erfahren habe. Und bitte, wirklich nur einen ganz kleinen Schluck. Sie wissen sicher schon, dass der junge Gelletreau festgenommen worden ist. Ein Anwalt kümmert sich um ihn, auch um das Mädchen aus Lalinde. Sie haben sich bislang kaum geäußert, bestreiten aber entschieden, mit dem Mord an Hamid irgendetwas zu tun zu haben. Wir müssen noch die Ergebnisse der kriminaltechnischen Untersuchung abwarten. Keine Fingerabdrücke, keine Blutspuren.«
Der Bürgermeister kniff die Brauen zusammen und nickte. »Ich hatte gehofft, dass der Fall möglichst schnell gelöst werden kann, auch wenn sich herausstellen sollte, dass einer unserer Jugendlichen mitverantwortlich ist. Denn falls sich die Ermittlungen hinziehen, könnte sich das auf die allgemeine Stimmung auswirken, und ich weiß nicht, was schlimmer wäre. Mir wär's lieb, wir könnten die Sache irgendwie vorantreiben... Ah, in dem Zusammenhang fällt mir ein« - der Bürgermeister nahm einen Zettel von seinem Schreibtisch -, »dass Sie sich nach dem Foto von Hamids Fußballmannschaft erkundigt haben. Ich habe Momu gefragt und Folgendes erfahren: Es war eine Amateurmannschaft aus Marseille, die in der B-Jugend gespielt hat. Sämtliche Spieler stammten aus Nordafrika. Ihr Trainer, ein ehemaliger Profispieler aus Marseille, hieß Villanova. Er war auch mit auf dem Foto. Die Mannschaft hatte gerade die Ligameisterschaft gewonnen. Momu erinnert sich deshalb so gut, weil sein Vater auf dem Foto den Fußball in der Hand hielt, auf dem in weißen Buchstaben geschrieben stand: >Meister 1940<. Mehr weiß er nicht.«
»Na, das wäre ja mal ein Anfang. Aber warum der Mörder das Foto und die Medaille mitgenommen hat, erklärt sich damit nicht«, sagte Bruno. »Übrigens, ich musste Jean-Jacques von der Schlägerei des jungen Gelletreau mit Momus Neffen erzählen, auch wenn wahrscheinlich weiter nichts dahintersteckt. Wegen der Drogen und seiner rechtsradikalen Freunde steckt der Junge in großen Schwierigkeiten. Jean-Jacques geht davon aus, dass Paris irgendein hohes Tier schickt, das einen politischen Fall daraus macht, um den
Front National
in Misskredit zu bringen.«
Der Bürgermeister nickte und reichte Bruno ein kleines Glas von seinem selbstgemachten
vin de noix,
der, wie Bruno zugeben musste, vielleicht noch ein bisschen besser war als sein eigener, aber Mangin hatte ja auch mehr Übung darin. Er setzte sich auf den Rand seines großen Schreibtisches, auf dem stapelweise Bücher und Akten lagen,
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