Bruno Chef de police
vorher aber wurde Hamid zusammen mit anderen altgedienten Sergeanten und verdienstvollen Offizieren in ein Ausbildungsbataillon der
Chasseurs
versetzt, aus dem er 1979 nach fünfunddreißig Dienstjahren ausgemustert wurde. Danach nahm er einen Job als Hausmeister an der Militärakademie von Soissons an, protegiert von einem alten Vorgesetzten, der dort die Leitung übernommen hatte.«
»Und was ist daran so rätselhaft?«, wollte Bruno wissen.
»Wir finden keinerlei Hinweise auf ihn bei den Résistance -Gruppen rund um Toulon, wo er sich doch angeblich aufgehalten hat, bevor er den
Commandos d'Afrique
beigetreten ist. Isabelle hat in den einschlägigen Unterlagen nachgeforscht, und die sind ziemlich lückenlos, weil es nach dem Krieg für viele sehr günstig war, nachweisen zu können, in der Résistance gekämpft zu haben. Aber von einem Hamid al-Bakr ist nirgends die Rede.«
»Das muss nicht viel zu bedeuten haben«, sagte Isabelle. »In den Listen der Widerstandsgruppen tauchen nur wenige arabische Namen auf; auch spanische Namen sind kaum zu finden, obwohl spanische Flüchtlinge aus dem Bürgerkrieg eine große Rolle in der Résistance gespielt haben. Die Unterlagen der beiden größten Gruppen,
der Armée secrète
und der
Franc-tireurs et partisans,
sind allerdings recht verlässlich. Er war vielleicht in einer anderen Gruppe oder ist durchs Netz gefallen. Es kann auch sein, dass er damals in der Résistance einen anderen Namen geführt hatte, was nicht ungewöhnlich gewesen wäre.«
»Trotzdem stört mich was daran, irgendwie stimmt da was nicht«, sagte Jean-Jacques. »Hamids Zeit in der Armee ist lückenlos dokumentiert. Aber davor finden wir über ihn rein gar nichts. Es ist, als wäre er aus dem Nichts aufgetaucht.«
»Typisch Krieg«, sagte Bruno und zuckte mit den Achseln. »Bei den Kampfhandlungen sind viele Akten verlorengegangen oder verbrannt. Und aus meiner eigenen Erfahrung bei der Armee weiß ich, dass die offiziellen Dokumente zwar alle ganz ordentlich und komplett aussehen, stellenweise aber reine Erfindung und so zurechtfrisiert sind, dass alle Zahlen und Fakten übereinstimmen. Fest steht jedenfalls, dass Hamid fünfunddreißig Jahre beim Militär war, in drei Kriegen gekämpft hat und anscheinend ein guter Soldat gewesen ist, denn sonst wäre er wohl kaum von seinem Vorgesetzten protegiert worden.«
»Ja, das ist bekannt«, sagte Jean-Jacques. »Isabelle aber hat ein bisschen tiefer zu graben versucht.«
»Wir haben bei der Polizei in Marseille und Toulon nachgefragt, aber von den Unterlagen vor 1944 ist nicht viel übriggeblieben, und es war nichts über Hamid zu finden«, fuhr Isabelle fort. »Laut eigener Angaben wurde er am 14. Juli 1923 in Oran geboren. Allerdings sagte mir der Archivar, dass viele algerische Soldaten den Tag ihrer Geburt nicht genau gewusst und darum das Datum des französischen Nationalfeiertags angegeben hätten, weil es leicht zu merken war. Die algerischen Melderegister von damals würden uns, wenn wir denn an sie rankämen, auch nicht viel weiterhelfen, weil sie ziemlich unvollständig sind. Das Datum von Hamids Ankunft in Frankreich lässt sich ebenfalls nicht mehr feststellen. Vor seiner Zeit bei den
Commandos d'Afrique
ist er für uns ein absolut unbeschriebenes Blatt.«
»Ich habe diese Frage aufgeworfen, weil ich mir im Hinblick auf unsere beiden jungen Tatverdächtigen ganz und gar nicht sicher bin«, sagte Jean-Jacques. »Ich habe beide unabhängig voneinander verhört und traue ihnen die Tat einfach nicht zu. Wahrscheinlich ist es nur so eine Ahnung. Also habe ich Isabelle gebeten, so lange in Hamids Leben zu stochern, bis sie die sprichwörtliche Stecknadel gefunden hat.«
»Tavernier scheint sich dagegen auf die beiden Teenager eingeschossen zu haben«, sagte Bruno.
»Ja, und mir ist dabei, offen gestanden, nicht wohl«, erwiderte Jean-Jacques.
»Wie gesagt, wir brauchen mehr Beweismaterial«, meinte Isabelle.
»Dann wären wir drei uns ja einig«, pflichtete Bruno bei. »Mit dem, was wir wissen, können wir weder die beiden festnageln noch irgendeine neue Spur auf tun.«
»Versuchen Sie doch bitte, über die Familie mehr über unseren mysteriösen Mann herauszufinden«, sagte Jean-Jacques. »Er muss seinen
16
Der Bürgermeister war ungehalten. In weniger als einer Stunde sollte die Kundgebung beginnen, und zwei seiner verlässlichsten Fahnenträger hatten beschlossen, zu Hause zu bleiben, was an sich schon schlimm genug war. Doch es war
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