Bruno Chef de police
das erste Mal überhaupt, dass sie ihm einen Korb gaben. So etwas hatte es in Saint-Denis noch nie gegeben, und eine Einladung des Bürgermeisters auszuschlagen, wenn sich ein Minister der Republik und zwei Generäle die Ehre gaben, grenzte an Meuterei.
»Sie werden die Trikolore tragen müssen, Bruno«, sagte der Bürgermeister gereizt. »Bachelot und Jean-Pierre weigern sich, an Ihrer kleinen Veranstaltung teilzunehmen. Sie haben unmissverständlich deutlich gemacht, dass sie von Muslimen und Algeriern oder Immigranten im Allgemeinen nichts halten und sie nicht auch noch ehren wollen.«
Bruno registrierte das Wörtchen »Ihrer«. Ja, es war sein Vorschlag gewesen, die Demonstration gegen rassistische Umtriebe in eine patriotische Veranstaltung zum Gedenken an einen französischen Kriegsveteranen umzuwidmen, aber wenn jetzt etwas schiefging, war er der Sündenbock.
»Was will denn Montsouris tragen?«, fragte Bruno. »Doch hoffentlich keine rote Fahne. Hamid hatte für Politik nicht viel übrig und schon gar nichts für Kommunisten.«
»Ich glaube, er will mit einer algerischen Fahne kommen«, antwortete der Bürgermeister, dem die ganze Sache zuwider zu sein schien. »Habe ich Ihnen eigentlich schon gesagt, dass sich der Innenminister und zwei Generäle angekündigt haben? Ich habe heute Morgen schon zwei Fernsehinterviews geben müssen und eines für
France Inter.
Am Nachmittag will mich eine Journalistin von
Le Monde
sprechen. Dann wäre da noch ein Typ von der
Libération,
der übrigens als Einziger die Nacht über hierbleiben wird, während die anderen im
Vieux Logis
in Trémolat Quartier beziehen. Ist doch bezeichnend, dass diese Medienfritzen immer die besten Hotels für sich ausfindig machen. Dieser ganze Rummel behagt mir gar nicht, Bruno. Und jetzt sagen Sie mir auch noch, dass dieser
Juge-Magistrat
von Richards Schuld überzeugt zu sein scheint und ihn wegen Mordes anklagen will.«
»Tavernier, so heißt er, will eben hoch hinaus«, bemerkte Bruno. »Und hat gute Verbindungen.«
»Ja, ich kenne seinen Vater, noch von meinem Studium an der
Polytechnique
her«, erwiderte der Bürgermeister, was Bruno kaum überraschte, denn Mangin schien in Paris Gott und die Welt zu kennen. »Und seine Mutter ist Autorin eines dieser schrecklichen Bücher über die Neue Frau, das sie geschrieben hat, als Feminismus besonders angesagt war. Ich bin neugierig, was aus dem Jungen geworden ist. Sie sollten jetzt besser gehen, Bruno, und dafür sorgen, dass gleich nichts schiefläuft. Nicht, dass es vor den Augen dieser Medienfritzen zu irgendwelchen Pannen kommt. Ruhig und würdevoll, so soll es sein.«
Auf dem Marktplatz fingen zwei Kamerateams Bilder von der
mairie
und der alten Brücke ein. Vor Fauquets Café hatten Reporter zwei Tische in Beschlag genommen. Sie interviewten sich gegenseitig, während drinnen an der Bar ein paar stämmige Männer - wahrscheinlich Montsouris' Genossen von der Gewerkschaft - Bier tranken. Bruno wimmelte einen Reporter ab, der ihm einen Kassettenrecorder unter die Nase hielt, als er seinen Transporter bestieg, um zur Schule zu fahren, wo die Demonstration ihren Ausgang nehmen sollte. Wie ihm auffiel, parkten vor der Bank mehrere Busse. Montsouris hatte offenbar dafür gesorgt, dass der Aufmarsch größer wurde als erwartet.
Rollo ließ alle seine Schüler auf dem Schulhof Aufstellung nehmen. Auf selbstgemalten Transparenten stand »Rassismus - nein danke« und »Frankreich gehört uns allen«. Rollo trug einen Anstecker am Revers mit der Aufschrift touche pas à mon pote!, »Hände weg von meinem Kumpel!«, einem Spruch, der, wie sich Bruno erinnerte, noch aus der Antirassismusbewegung vor über zwanzig Jahren stammte.
»Bonjour,
Bruno«, grüßten einige seiner Tennisschüler, die für Teenager ganz ordentlich angezogen waren und einen durchaus wohlerzogenen Eindruck machten. Aber vielleicht ließen sie sich auch nur von den beiden Rugbymannschaften einschüchtern, dem UN-Team und dem der Senioren, an die dreißig kräftige Jungs in einheitlichen Trainingsanzügen, die Karim zuliebe gekommen waren und dafür sorgen sollten, dass es keinen Ärger gab.
Bruno schaute sich um, konnte aber nirgends Montsouris entdecken, auf den die Idee für den Solidaritätsmarsch zurückging. Wahrscheinlich war er mit seinen Freunden von der Gewerkschaft in der Bar. Sein Hausdrache aber stand auf dem Schulhof bei Momu und Ahmed vom Tiefbauamt, die beide eine große algerische Fahne trugen. Es schien, als
Weitere Kostenlose Bücher