Bruno Chef de police
hätten sich alle Einwandererfamilien der Stadt vollzählig eingefunden. Zu Brunos Verwunderung trugen etliche Frauen Kopftücher, was sie sonst nie taten. Er hoffte, dass sie damit bloß ein Zeichen ihrer Solidarität setzten und nicht mehr.
»Wir marschieren um zwanzig vor zwölf los und wären dann Punkt zwölf vor der
mairie«,
sagte Rollo. »Es ist alles organisiert. Für die Ansprachen sind zehn oder fünfzehn Minuten vorgesehen. Anschließend geht's mit der Blaskapelle weiter bis zum Kriegerdenkmal. Die Kinder hätten dann noch genug Zeit fürs Mittagessen und wären pünktlich zum Nachmittagsunterricht zurück.«
»Die Ansprachen könnten länger dauern. Der Innenminister kommt und wird es sich vor all den Fernsehkameras nicht nehmen lassen, selbst ein paar Worte zu sprechen«, sagte Bruno. »Übrigens werden Sie die Trikolore tragen müssen, denn Bachelot und Jean-Pierre boykottieren die Kundgebung, weil sie für unsere Migranten offenbar nicht viel übrighaben.«
»Mistkerle«, blaffte Madame Montsouris, die einen Wimpel mit dem nationalen Emblem von Algerien aufgetrieben hatte. »Und dann auch noch dieser verfluchte Innenminister, der nicht besser ist als diese Typen vom
Front National.
Was hat der hier überhaupt verloren? Wer hat ihn eingeladen?«
»Ich glaube, das ist mit dem Bürgermeister abgesprochen worden«, entgegnete Bruno ruhig. »Aber am Programm ändert sich nichts. Wir wollen eines alten Kriegshelden gedenken und unsere Solidarität gegen Rassismus und Gewalt zum Ausdruck bringen. Ruhig und würdevoll, sagt der Bürgermeister.«
»Wir wollen ein deutlicheres Zeichen setzen«, meinte Madame Montsouris so laut, dass sie auch von den anderen Lehrern und allen Schülern gehört werden konnte. »Mit rassistischer Gewalt muss es ein für alle Mal aufhören, und es sollte klargemacht werden, dass für faschistische Mörder hier kein Platz ist.«
»Für die großen Reden ist später noch Zeit.« Bruno wandte sich an Momu. »Wo ist Karim? Er wollte doch hier sein.«
»Er ist auf dem Weg«, antwortete Momu. »Er leiht sich das
croix de guerre
von dem alten Oberst Duclos aus, um es auf einem Kissen zum Kriegerdenkmal zu tragen. Er wird jeden Augenblick hier sein.«
»Keine Sorge, Bruno«, sagte Rollo. »Wir haben alles unter Kontrolle. Sobald Karim hier ist, ziehen wir los.«
In diesem Moment bog Momus kleiner Citroën auf den Parkplatz vor der Schule ein, und Karim stieg aus. Er trug den Trainingsanzug seines Rugbyclubs, hielt in der einen Hand ein Samtkissen und in der anderen eine kleine Bronzemedaille. Rollo ließ Aufstellung nehmen und winkte Momus Familie nach vorn. Sie sollte mit einem halben Dutzend Spielern der Rugbymannschaft den Zug anführen. Ihnen folgten in Dreierreihen die Schulklassen, begleitet von ihren Lehrern und flankiert von den übrigen Rugbyspielern. Rollo rief einen Jungen zu sich, der eine kleine Trommel vor den Bauch geschnallt hatte, und forderte ihn auf, den Takt für den Marschrhythmus vorzugeben. Als sich der Zug in Bewegung setzte, eilte Bruno auf die Straße, um den Verkehr aufzuhalten. Ein gesitteter, maßvoller Aufmarsch, dachte er schon, da zog plötzlich Montsouris' Frau ein Megaphon aus ihrem Beutel und fing zu skandieren an: »Nein zu Rassismus, nein zu Faschismus« - alles gut und schön, aber dieser Ton war nicht geplant. Er wollte eingreifen, sah aber dann, dass Momu ein paar Worte mit ihr wechselte, worauf sie das Megaphon wieder wegsteckte.
Zwei Fernsehkameras filmten den Zug, der auf der Rue de la République am Supermarkt, der landwirtschaftlichen Genossenschaft, der großen Zweigstelle der
Crédit Agricole
vorbei und über die Brücke durch ein Spalier von Zuschauern bis hin zur
mairie
marschierte, wo der Bürgermeister und andere Würdenträger auf einem Podest warteten, das normalerweise als Bühne für Musikveranstaltungen genutzt wurde. Bruno war ein wenig irritiert, als er
Capitaine
Duroc mit einem kleinen Trupp von Gendarmen vor dem Podest erblickte. Er hatte Duroc gebeten, seine Männer paarweise an verschiedenen Stellen des Platzes zu postieren. Als die Demonstranten zur Stelle waren, war es genau zwölf, die Kirchenglocken fingen zu läuten an, und auf dem Bürgermeisteramt heulte die Mittagssirene los. Der Platz war inzwischen voller Menschen. Eine dritte Fernsehkamera schwenkte darüber hinweg. Die Sirene verstummte, und der Bürgermeister trat vor.
»Bürger von Saint-Denis,
Monsieur le Ministre, mes Généraux,
Freunde und
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