Bruno Chef de police
worden.
»Angeblich ist er schon oft mit ihr auf dieser Lichtung gewesen, um mit ihr zu schmusen. Von Hamids Häuschen will er nicht einmal Notiz genommen haben, da er anderes im Sinn hatte«, sagte Jean-Jacques. Das Haar stand ihm wirr vom Kopf, und sein Hemdkragen stand offen - er hatte offenbar kaum geschlafen. Gierig schlürfte er den wässrigen Kaffee, der auf der Polizeistation ausgeschenkt wurde.
Bruno hatte seinen Plastikbecher nach einem Schluck stehen lassen. Auf dem Konferenztisch befanden sich vor jedem Platz eine Flasche Wasser, ein Notizblock samt Kugelschreiber sowie ein Protokoll der jüngsten Verhöre. Nur Tavernier hatte alles beiseite geräumt.
»Weder Richard noch Jacqueline haben ein Alibi für den Nachmittag, an dem der Mord begangen wurde. Beide behaupten, zu dieser Zeit in ihrem Haus in Lalinde gewesen zu sein, und zwar im Bett«, fuhr Jean-Jacques fort. »Wir wissen allerdings, dass das Mädchen um 15:25 Uhr vor Saint-Denis getankt und mit ihrer Kreditkarte bezahlt hat. Also lügen beide, und zumindest sie war in der Nähe des Tatorts. Die Reifenspuren auf dem Weg zu Hamids Häuschen sind ein weiteres Indiz. Wir warten noch auf den Bericht der Kriminaltechnik, die die Zigarettenkippen, das Weinglas und die gebrauchten Kondome vom Fundort im Wald untersucht. Im Häuschen selber konnten zwar immer noch keine Spuren gefunden werden, die ihre Anwesenheit dort belegen, doch nach meiner Einschätzung deuten alle Indizien auf die beiden hin. Sie haben sich zur Mordzeit wenn nicht am Tatort, so doch in der Nähe aufgehalten. Vielleicht sollte ich hinzufügen, dass an ihren Kleidern oder in ihrem Auto keine Blutspuren sichergestellt werden konnten. Trotzdem glaube ich, dass wir genug gegen sie in der Hand haben, um sie in Haft zu halten.«
»Dem stimme ich zu. Es gibt ein politisches Motiv, sie hatten die Gelegenheit zur Tat und lügen. Außerdem nehmen sie Drogen«, stellte Tavernier fest und blickte durch seine sehr große und offensichtlich teure schwarze Designerbrille in die Runde. Er trug einen maßgeschneiderten schwarzen Anzug, ein weißes Hemd mit breiten violetten Streifen und dazu eine schwarze Krawatte, wie zu einer Beerdigung. Vor ihm auf dem Konferenztisch lagen ordentlich aufgereiht ein in schwarzes Leder gebundener Kalender, ein schwarzer Mont-Blanc-Füllfederhalter, das flachste Handy, das Bruno je gesehen hatte, und ein Minicomputer, über den er anscheinend seine E-Mails empfing und abschickte. Auf Bruno machte Tavernier den Eindruck eines Gesandten einer hochentwickelten, aber feindlichen Zivilisation. »Die Beweise dürften ausreichen, zumal es keine weiteren Verdächtigen gibt. Außerdem ist es im nationalen Interesse, dass wir den Fall möglichst schnell zum Abschluss bringen, sagt mein Minister. Wenn die Kriminaltechnik bestätigt, dass die beiden in der Nähe des Tatorts waren, können wir meines Erachtens die Anklage vorbereiten. Es sei denn, irgendjemand von Ihnen hat Einwände.«
Sein Blick machte deutlich, dass er keinen Widerspruch duldete. Jean-Jacques schenkte sich Kaffee nach. Isabelle studierte schweigend ihre Notizen. Eine Schreibkraft führte Protokoll. Eine junge Mitarbeiterin aus der Präfektur nickte bedächtig. Neben ihr saß die Pressesprecherin der Polizeizentrale aus Paris, eine junge Frau mit blonden Strähnchen und einer über die Haare zurückgeschobenen Sonnenbrille; sie hob die Hand und sagte:
»Ich könnte eine Pressekonferenz einberufen und bekanntgeben, dass wir Anklage erheben. Aber wir sollten uns beeilen, damit die Abendnachrichten im Fernsehen davon berichten können. Außerdem ist da noch diese Antirassismusdemonstration heute Mittag in Saint-Denis. Sie wollten doch dabei sein, Lucien, nicht wahr?«
»Haben Sie eine Bestätigung, dass der Minister kommt?«, fragte er.
Sie schüttelte den Kopf. »Nur der Präfekt und ein paar Abgeordnete der Nationalversammlung. Der Justizminister hat noch Termine in Paris, aber ich erwarte einen Anruf vom Innenminister. Er hält heute Abend eine Rede in Bordeaux und könnte vorher hier vorbeikommen.«
»Das wird er«, sagte Tavernier, sichtlich stolz darauf, dass er schon mehr wusste: »Ich habe soeben eine E-Mail von einem Kollegen aus seinem Büro erhalten. Er fliegt über Bergerac und will gegen halb zwölf im Bürgermeisteramt von Saint-Denis sein. Hoffentlich bin ich rechtzeitig dort.« Er richtete seinen Blick auf Jean-Jacques. »Hätten Sie ein Auto und einen Fahrer für mich?« Und mit einem
Weitere Kostenlose Bücher