Bruno Chef de police
Nachbarn«, rief der Bürgermeister mit der lauten Stimme eines Berufspolitikers über den Platz. »Wir haben uns hier versammelt, um der Familie unseres Schullehrers Mohammed al-Bakr unser Mitgefühl zum Ausdruck zu bringen. Wir betrauern mit ihr den tragischen Verlust ihres Vaters Hamid und ehren ihn als einen Mitbürger, Nachbarn und Kriegshelden, der für unser teures Vaterland gekämpft hat. Wir alle wissen um die schrecklichen Umstände seines Todes, die von den Ordnungskräften mit aller Entschiedenheit aufgeklärt werden, damit seine Familie Gerechtigkeit erfährt, so wie wir unseren Abscheu zeigen gegenüber allen Formen von Rassismus und Hass. Ich habe nun die Ehre, unseren Innenminister vorzustellen, der nach Saint-Denis gekommen ist, um uns sein Beileid zu bezeugen und uns der Unterstützung unserer Regierung zu versichern.«
»Schickt die Scheißmuslime dahin zurück, wo sie hergekommen sind«, brüllte jemand aus der Menge, und alle Köpfe drehten sich in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. Der Minister am Mikrofon wurde unsicher. Bruno bahnte sich einen Weg durch das Gedränge, um nach dem Schreihals zu suchen.
»Raus mit dem Pack, raus damit, raus damit!«, fingen etliche zu grölen an, und Bruno sah betroffen, wie drei Fahnen des
Front National
geschwenkt wurden. Verdammt, dachte er. In den Bussen, die er gesehen hatte, waren nicht etwa Montsouris' Gewerkschaftsfreunde gekommen. Links und rechts von ihm geriet alles in Bewegung. Von Karim angeführt, drängten die Rugbyspieler auf die Fahnenträger zu.
Jetzt tönte aus einem Megaphon der verstärkte Ruf: »Araber, verpisst euch!« Montsouris' Frau hielt mit ihrem Megaphon dagegen und schrie: »Kein Fußbreit Boden dem Rassismus!« Faules Obst, Eier und Gemüse flogen in Richtung Podest durch die Luft. Das war gut vorbereitet, dachte Bruno. Auf dem Parkplatz standen drei Busse, jeder mit dreißig bis vierzig Sitzplätzen. Also waren wahrscheinlich über hundert Personen angereist. Ihnen standen nur etwa dreißig Jungs vom Rugbyclub und eine Handvoll Gewerkschafter gegenüber. Das kann sehr übel werden, und dann kommt das Ganze auch noch im Fernsehen, ging es Bruno durch den Kopf. Eine der
Front-National-Fahnen
wurde von den Rugbyspielern zu Boden gerissen, und einige Männer ließen bereits ihre Fäuste fliegen, während einige Frauen schreiend davonliefen.
Bruno hielt sich zurück. Ein einzelner Polizist konnte hier wenig ausrichten. Er eilte zurück zur Bühne. Für ihn galt es jetzt, die Schulkinder in Sicherheit zu bringen. Die Gendarmen mochten sich um die Würdenträger kümmern. Mehrere stämmige Kerle, darunter Montsouris, rannten ihn über den Haufen. Als er sich wieder aufgerappelt hatte, traf ihn ein Kohlkopf an der Schläfe und riss ihm die Schirmmütze vom Kopf. Schnell bückte er sich, um sie vom Boden aufzuheben, denn ohne sie würden die Schulkinder ihn womöglich nicht erkennen. Benommen schob er sich weiter und sah, dass Rollo bereits seine Schüler zum überdachten Teil des Marktplatzes zu lotsen versuchte. Manche der älteren Jungen entwischten und rannten los, um sich an der Attacke auf die angereisten Unterstützer des
Front National
zu beteiligen.
Die »Araber raus«- und »Kein Fußbreit Boden dem Rassismus«-Schreie plärrten über Megaphone gegeneinander an, während die Honoratioren mit erhobenen Händen das Bombardement von Tomaten abzuwehren versuchten und, von den ansonsten nutzlosen Gendarmen geschützt, ins Rathaus zurückeilten. Auf den Rückzug machte sich auch
Capitaine
Duroc mit dem Minister und den beiden Generälen, deren goldbetresste Uniformen durch die geworfenen Eier und das faule Obst gelitten hatten.
Die Schüler waren jetzt in der Markthalle. Bruno musste schreien, um sich Gehör zu verschaffen, und forderte Rollo und Momu auf, die jüngeren Kinder ins Café zu bringen. Der alte Fauquet solle Türen und Fenster verrammeln, die Feuerwehr rufen und veranlassen, dass sie mit ihren Hochdruckspritzen den Platz räumte.
Bruno schaute sich um und sah, wie das Handgemenge vor dem Hotel in eine wüste Schlägerei ausartete, bei der Fahnen- und Transparentstangen als Knüppel und Lanzen zum Einsatz kamen. Auch auf den Stufen, die zur Altstadt hochführten, wurde gekämpft. Als eine Gruppe von Frauen, unter ihnen auch Pamela und Christine, an den Raufbolden vorbeizukommen versuchte, wurden sie von mehreren Skinheads attackiert. Bruno eilte durch die Menge, die sich schnell auflöste, packte den
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