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Buch Der Sehnsucht

Titel: Buch Der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselm Gruen
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Erklärungen, wie Gott auf unser Gebet reagiert. Denn das führt nicht weiter. Ich rate ihnen, das Beten erst einmal zu lassen. Stattdessen sollten sie sich einfach still hinsetzen, ihre Hand auf das Herz legen und spüren, was da an Sehnsucht in ihnen hochsteigt. Das ist schon Gebet. Die Sehnsucht ist das wahre Gebet. In der Sehnsucht streckt sich ihre Seele nach Gott aus. Und Gebet ist nicht in erster Linie Bittgebet, auch nicht Dankgebet, sondern Sich-Ausstrecken nach Gott, Sich-Sehnen nach ihm, der unser Herz mit seiner Liebe und mit seinem Geist erfüllen kann. Wenn ich in der Sehnsucht Gottes heilende und liebende Nähe erahne, dann ist all das schon erfüllt, wonach ich im Bittgebet flehe. Dann bin ich frei von dem negativen Einfluss des Menschen, der mich verletzt hat. Dann ist Frieden in mir. Dann erfahre ich mich heil und ganz. Dann hat mich meine Angst nicht mehr im Griff. Die Sehnsucht führt mich in Gott hinein und erfüllt so, was der Sinn jeden Betens ist: eins zu werden mit Gott, in ihm Frieden und Heil, Freiheit und Liebe zu erfahren.

    DER EWIGE TRAUM

    „ Die Seele kann niemals gesondert sein. Der ewige Traum ist Intimität und Zugehörigkeit. Wenn wir zurückgewiesen oder ausgeschlossen werden, empfangen wir eine tiefe Wunde." Der irische Dichter John O'Donohue hat dies gesagt. Soziologen bestätigen uns, dass die Sehnsucht nach Zugehörigkeit die typische Grundbefindlichkeit der heutigen Jugend ist. Für Jugendliche ist es wichtig, dass sie zu einer Gruppe gehören. Sonst fühlen sie sich ausgeschlossen, isoliert, nichts. John O'Donohue meint, dass diese Sehnsucht nicht nur typisch für die heutige Jugend ist, sondern tief im Menschen wurzelt, ja den eigentlichen Kern unserer Natur ausmacht, auch wenn wir uns oft isoliert und einsam fühlen. Er begründet diesen übermächtigen und allgegenwärtigen Hunger nach Zugehörigkeit mit dem Wesen der menschlichen Seele, und er knüpft die Vermutung daran, dass wir früher, ehe wir auf die Welt kamen, absolut zugehörten: „Wir stammen aus einem Anderswo, wo wir bekannt, angenommen und geborgen waren. Unsere Sehnsucht verlangt danach, uns zur Erkenntnis aller Möglichkeiten zu führen, die im Erdreich unseres Herzens schlummern. Unsere Sehnsucht ist die göttliche Sehnsucht in menschlicher Erscheinung." Offensichtlich geht O'Donohue hier auf den griechischen Philosophen Platon zurück. Platon ist der Meinung, dass die Seele ursprünglich bei Gott ruht, bevor sie bei der Geburt eines Menschen in den Leib herabsteigt. Christliche Philosophen haben diese Ideen des Platon übernommen, aber zugleich verchristlicht. Jeder Mensch ist ein Wort Gottes. Das eigentliche Wort Gottes, der Logos schlechthin, ist Jesus Christus. Aber in irgendeiner Weise können wir auch von uns sagen, dass Gott in jedem von uns ein einmaliges Wort spricht. Und dieses Wort, das einmal ganz bei Gott war, nimmt in uns Fleisch an. Aber es sehnt sich nach dem, der es ausgesprochen hat, aus dessen Mund es hervorgegangen ist. In unserer Seele ist eine Ahnung, dass wir ursprünglich zu Gott gehörten und bei Gott daheim waren. Der Traum nach Zugehörigkeit ist also Ausdruck unserer Seele und ihres Heimwehs nach der Geborgenheit, die sie bei Gott hatte. Die Bibel hat dies in der Geschichte vom Paradies bildhaft ausgedrückt. Im Paradies waren die Menschen im Garten Gottes. Sie waren mit Gott vertraut, absolut geborgen und geliebt. Wie immer man diese ursprüngliche Zugehörigkeit des Menschen zu Gott erklären möchte - mit der Geschichte vom Paradies, mit der Vorstellung einer präexistenten Seele oder mit dem Bild vom Wort, das Gott in jedem Menschen ausspricht -, offensichtlich gehört diese Sehnsucht nach Intimität und Zugehörigkeit zum Wesen unseres Menschseins. Und zugleich ist diese urmenschliche Sehnsucht eine göttliche Sehnsucht. In unserer Sehnsucht tragen wir etwas Göttliches in uns: „die göttliche Sehnsucht in menschlicher Erscheinung". Die Sehnsucht ist die Spur, die Gott in unsere Seele eingegraben hat. Sooft wir mit unserer Sehnsucht in Berührung sind, spüren wir den göttlichen Funken in uns, sind wir in unserer Sehnsucht schon in und bei Gott.

    MEHR ALS ALLES

    „Es muss doch mehr als alles geben", das war ursprünglich der Titel eines Kinderbuchs. Dass Dorothee Solle die Formulierung dann als Titel für ein Buch über Gotteserfahrung aufgenommen hat, mag mit einer Erfahrung zusammenhängen, die allgemein gültig ist, aber heute besonders ins Auge

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